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Mutter macht Geschichten

Titel: Mutter macht Geschichten
Autoren: Troy Una
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Menschen dort leben, die sie von früher her kannten, und das würde ihre Arbeitssuche wesentlich erleichtern, weil das lästige Getue mit den Empfehlungsschreiben fortfiel, das anderswo eine so große Rolle spielte. Und wenn sie erst mal Arbeit hätte – und sie konnte sich nicht vorstellen, daß eine reife, gesunde Frau, die bereit war zuzupacken, so nutzlos, so ein Hemmschuh sein sollte, wie ihre Kinder ihr weismachen wollten –, wäre alles weitere nur ein Kinderspiel. Sie würde in Dooneen bleiben und nicht einen Penny von ihrem Gehalt ausgeben (außer natürlich für Hundefutter und Benzin), bis sie genug gespart hatte, um alle ihre Schulden auf Heller und Pfennig zu begleichen. Und dann, wenn sie ihnen gezeigt hätte, wie fest sie auf eigenen Füßen stehen konnte, würde sie nach London zurückkehren, um dort bis an ihr seliges Ende frei, aber sehr vernünftig zu leben.
    Sie hatte keine Minute an der Richtigkeit ihres Vorhabens gezweifelt und gewußt, daß sie die ideale Lösung all ihrer Schwierigkeiten gefunden hatte – und trotzdem, als es dann soweit war und sie den Abschiedsbrief an den Teekessel lehnte, wurde ihr doch etwas mulmig zumute. Denn ganz gleich, wie oft sie sich auch sagte, daß ihre Kinder sich um sie keine Sorgen zu machen brauchten, wußte sie genau, daß sie es doch tun würden. Und natürlich mußte der melodramatische Abgang, zu dem sie gezwungen war, alles noch verschlimmern. Die Kinder würden sie für noch närrischer halten, als sie es sowieso schon taten, und ganz aus dem Häuschen geraten. Aber ihr blieb gar keine Wahl. Wenn die Familie von ihrem Plan Wind bekäme, würde sie ihn liebevoll, aber energisch vereiteln; wenn sie ihren Aufenthaltsort wüßten, würden sie sie zurückholen und sie liebevoll, aber energisch für den Rest ihres Lebens bevormunden. Jedes ihrer Kinder führte, was auch ganz richtig war, sein eigenes Leben, und was sie jetzt tat, würde keinem weh tun; für sie aber war es die letzte Chance, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Und so sehr sie ihre Kinder auch liebte, war ihr der Gedanke, von ihnen für die nächsten dreißig Jahre so liebevoll, aber energisch herumkommandiert zu werden, einfach unerträglich. Dies war, kurz zusammengefaßt, ihr Problem, und sie wiederholte sich immer wieder, daß sie im Recht war – was aber nicht ausschloß, daß sie sich schuldig und einsam fühlte.
    »Ich kann ihnen nicht mal schreiben, weil die irische Briefmarke mich verraten würde«, sagte sie traurig zu Cucullan. Cucullan bellte. »Ja, du hast recht, wenn wir in Dooneen Erfolg haben, dann können wir es riskieren, dann kann ich mich eher zur Wehr setzen – obwohl, selbst dann wird es nicht leicht sein.«
    Cucullan bellte aufgeregt. Er fühlte, sie würden gleich Auto fahren, was er ebenso genoß wie sie, und er fand, es sollte nun endlich losgehen. Obwohl Cucullan ein ganz besonders intelligenter Hund war und eine Menge Sachen wußte – eins wußte er nicht, nämlich, daß ein erniedrigendes Marterwerkzeug in Gestalt eines Maulkorbs in einer Schachtel auf dem Küchenregal für ihn bereit lag und daß er ihn eigentlich schon tragen müßte, wenn James ihm nicht bis Montag Aufschub gewährt hätte – allerdings sehr ungern und nur, weil Elsie ihn kniefällig darum gebeten hatte. Der Gedanke an Cucullans tragisches Los, wenn er Montag noch in London wäre, gab Elsie den nötigen Mut, das Haus zu verlassen. Und kaum saß sie im Wagen, fühlte sie sich noch viel mutiger. Auch für das arme Auto wäre Montag ein schicksalsschwerer Tag. Es würde in neue und sicher weniger liebevolle Hände überwechseln. Und so fuhr Elsie mit Cucullan und dem Auto ohne allzu große Gewissensbisse der Freiheit entgegen.
    Als sie von der Rooslare-Fähre herunterkamen und die Wexforder Uferstraße entlangfuhren in Richtung Dooneen, wichen ihre letzten Bedenken wie die Nebelschwaden, die sich jetzt am Horizont verzogen. Das Meer glitzerte in dem frühmorgendlichen Sonnenschein, der Wagen benahm sich tadellos, und Cucullan, dem die Seereise nicht besonders gefallen hatte, schlief friedlich neben ihr. Der Morgen war heiter und die Seebrise erfrischend, und Elsie hatte das Gefühl, daß mit jedem Kilometer, der sie näher an die Stätte ihrer Kindheit brachte, die Jahre eins nach dem anderen von ihr abfielen, bis sie fast den Eindruck hatte, sie sei wieder siebzehn und stünde am Anfang des Abenteuers, das man Leben nennt. Einige Male rief sie sich selbst streng zur Ordnung,
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