Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mutter macht Geschichten

Titel: Mutter macht Geschichten
Autoren: Troy Una
Vom Netzwerk:
indem sie sich vorhielt, daß sie in Wirklichkeit eine verschwenderische Großmutter sei, die von nun an im Schweiße ihres Angesichts ihr täglich Brot verdienen mußte – aber es war alles umsonst. Sie konnte nur nicht singen, weil sie Angst hatte, Cucullan zu wecken, aber in ihrem Inneren klang eine Melodie.
    Als sie die Felsenstraße nach Dooneen hinunterfuhr, dessen Häuser sich um den kleinen Hafen gruppierten, schien ihr alles unverändert, aber als sie in den Ort hineinkam, machte er einen sehr viel wohlhabenderen Eindruck auf sie als früher. Vor fünfundzwanzig Jahren war es selbst im Sommer hier ziemlich ruhig gewesen, doch nun sah sie ein kleines Kasino, Eisbuden, sogar ein Tanzcafe und ein paar ziellos herumwandernde Gestalten, die unverkennbar Touristen waren. Dooneen hatte also offensichtlich den Ehrgeiz, ein Ferienkurort zu werden. Und so war sie auch nicht weiter erstaunt, als sie entdeckte, daß man das kleine aber ehrlich gesagt etwas schmuddelige ›O'Learys Familien-Hotel‹ vergrößert, modernisiert und in ›Dooneener Hof‹ umbenannt hatte.
    Sie hatte sich eigentlich vorgenommen, erst mal ein paar Tage auszuruhen und alte Bekanntschaften wieder aufzufrischen, bevor sie sich auf Arbeitssuche begab, aber sie hatte nicht vorausgesehen, daß sie diese Tage in einem Fast-Luxus-Hotel verbringen müßte. Doch als sie ins Hotel hineinging, spürte sie sofort, daß die alte freundliche O'Leary-Familienhotel-Atmosphäre trotz all der Neuerungen – Nußbaumimitationen, große Plastiklüster und eine schwarzgekleidete Empfangsdame, genauso wie in London, wo man sie offenbar in Serie herstellt – dieselbe geblieben war. Der Besitzer und seine Frau standen zufällig beide an der Rezeption, und irgendwie kamen sie sofort ins Gespräch – genau wie zu Omas und Opas Zeiten.
    Die Blaneys hatten das Hotel erst nach Elsies Heirat übernommen, und so war sie ihnen fremd, aber sie freuten sich ganz offensichtlich, als sie erfuhren, wer sie war. Ja, natürlich hätten sie viel von dem Engländer gehört, der die kleine Elsie O'Leary den einheimischen Jungen weggeschnappt hatte, bevor die überhaupt den Mund hätten aufmachen können. Na ja, wer zu langsam ist, hat eben das Nachsehen, obwohl sie gewissermaßen mehr Anrecht auf kleine Elsie gehabt hätten, schlossen die Blaneys befriedigt und sorgten dafür, daß sie eins der besten Zimmer nach vorne heraus bekam.
    »Das kleine Zimmer über der Küche war meins«, erinnerte sich Elsie, »ist es trotz des Umbaus noch da?« – »Ja, natürlich«, antworteten sie ihr, zur Zeit schliefe der Barkeeper dort. Sie schaute sich um. »Die Bar – war irgendwo da!« meinte sie und wies mit dem Finger in die entsprechende Richtung. »Ich habe in der Bar serviert, aber auch gelegentlich im Speisesaal ausgeholfen. Der ist dort – nicht wahr?«
    »Ach, die guten alten Zeiten«, seufzte Mr. Blaney, »doch man muß sich anpassen, heutzutage ist Tourismus Trumpf! Ich bin sicher, Ihre Großeltern hatten nicht soviel Ärger mit dem Personal wie wir jetzt. Nehmen Sie nur mal unseren Barkeeper! Er wäre unser bester Kunde, wenn er zahlen würde! Im Vertrauen gesagt: Wir sind froh, wenn er am Abend noch auf den Beinen steht. Aber was sollen wir machen? Man kriegt eben kein Personal mehr – weder für Geld noch für gute Worte.«
    »Und es wird immer schlimmer.« Mr. Blaney blickte mißtrauisch auf die Serien-Empfangsdame, als ob sie ihm jede Sekunde abspenstig gemacht werden könnte. »Wahrscheinlich ist das der Preis, den wir für den Fortschritt zahlen müssen!« Elsie warf dazwischen, daß der aber überall zu zahlen sei. »Ja, und das ist erst der Anfang!« prophezeite Mr. Blaney. »Sie werden Bauklötze staunen, wenn Sie erst von unseren Zukunftsplänen hören!« Seine Frau lachte. »Ja, meine Liebe, es dauert nicht mehr lange, und Dooneen wird die Riviera überflügelt haben.«
    Jetzt lenkte Cucullan die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, indem er auf einen Sessel sprang. Elsie nahm ihn sofort wieder herunter. Sie sagte etwas nervös: »Ich hoffe, Sie haben nichts gegen Hunde. Er ist wirklich sehr gehorsam – na, sagen wir: ziemlich gehorsam –, und ich kann Ihnen versprechen, daß er vollkommen stubenrein ist.« Die Blaneys starrten ihn wortlos an. Komisch, aber die meisten Leute schienen nicht recht zu wissen, was sie sagen sollten, wenn sie Cucullan zum erstenmal sahen. »Er hat einen wunderbaren Charakter«, versicherte Elsie. Der schlaue Cucullan streckte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher