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Mutter macht Geschichten

Titel: Mutter macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Troy Una
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sie sich über ihre Gefühle klargeworden war, begriff sie auch, daß die Vorsehung eigentlich gar keinen Fauxpas begangen hatte. Ganz im Gegenteil, die Vorsehung hatte Cucullan nur dazu benutzt, sie mit diesem Mann zusammenzubringen. Denn ohne Cucullans Angriff auf den britischen Minister hätte Owen McDermott wahrscheinlich nie seine Schüchternheit überwunden, und sie hätte nie ihre selbstauferlegte Zurückhaltung aufgegeben, und so hätten sie sich wohl nie richtig kennengelernt.
    Aber es wäre für den klügsten Menschen schwer gewesen, die guten Absichten der Vorsehung gleich zu erkennen, denn kaum hatte Cucullan den Minister gebissen, war die Hölle los. An dem bewußten Abend war die Hotelbar bumsvoll gewesen, weil jeder einen Blick auf das hohe Tier werfen wollte, und das hohe Tier war ein großer Erfolg. Der Minister erzählte, daß seine Vorfahren aus der Grafschaft Cork stammten, und jetzt, nachdem er Irland gesehen hätte, bedaure er, daß sie nicht in Cork geblieben seien. In Irland gäbe es sehr viel Schönes zu sehen, fuhr er fort, wobei er Elsie zuzwinkerte (er war ein wenig angeheitert, aber nicht weiter schlimm), und damit meine er nicht nur die Landschaft. Dann legte er seinen Arm um Elsies Taille – oh, wirklich nur ganz harmlos schäkernd –, aber Cucullan sprang wütend hoch und biß ihn.
    Und dann brach die Hölle los! Die Gäste fluchten und stießen mit dem Fuß nach Cucullan, der jaulend aus der Tür schoß – gerade in dem Augenblick, als die Blaneys in die Bar gelaufen kamen. Sie stürzten sich mit solcher Vehemenz auf das hohe Tier, daß es zusätzlich zu seiner Verletzung auch noch fast erstickt worden wäre. Und dann trat Dr. McDermott in Aktion, und alles beruhigte sich.
    »Nun wollen wir uns erst mal die Hand ansehen!« sagte er. Der Minister nahm das Taschentuch fort, das er bis jetzt auf die Wunde gepreßt hatte. Elsie bereitete sich innerlich schon auf den Anblick einer schrecklich zerrissenen, blutenden Hand vor, und ihr fiel ein Stein vom Herzen, als sie nur einen Kratzer ungefähr von der Größe, wie man ihn sich beim Brombeerpflücken holt, auf dem Handrücken sah. »Nicht lebensgefährlich, wie ich sehe«, lächelte Dr. McDermott, »aber wir werden trotzdem einen Verband anlegen.« Das hohe Tier protestierte, das sei doch gewiß nicht notwendig, worauf Dr. McDermott erwiderte, daß es – ganz abgesehen von allen medizinischen Erwägungen – einfach die Ehrenpflicht jedes irischen Arztes sei, alles Menschenmögliche zu tun, um zu vermeiden, daß ein britischer Minister einen frühzeitigen Tod durch den mörderischen Biß eines Hundes in der Freien Republik erleide. Mrs. Blaney ging und holte ihren Erste-Hilfe-Kasten. Mr. Blaney klopfte Elsie beruhigend auf die Schulter. Elsie hatte ein wirklich schlechtes Gewissen ihren Arbeitgebern gegenüber. Sie ging auf das hohe Tier zu und sagte: »Es tut mir leid.« Er blickte sie fragend an. »Es war nämlich mein Hund.«
    Ein junger Mann mit krausen Haaren, der eifrig Notizen machte, grinste sie beide an. Elsie sah die Kurzschriftkrakel und wußte sofort, was für einen Beruf er ausübte und daß ihr Aufenthalt in Dooneen nun nicht mehr lange geheim bleiben würde. Dann sagte der junge Mann zu dem Minister: »Noch was zu sagen, Sir?«, und der Minister lachte und meinte: »Nur, daß es ein Vergnügen ist, von dem Hund einer so reizenden Lady gebissen zu werden, und es ist mir egal, ob Sie das publik machen oder nicht.«
    Elsie wäre gern bereit gewesen, von Tür zu Tür in einem Schneesturm Stimmen für diesen Politiker zu werben, der Cucullans Fehltritt so großzügig verzieh. Dr. McDermott verband jetzt die Hand, was nicht sehr lange dauerte, und dann stellten sich der Arzt und das hohe Tier an die Bar und unterhielten sich mit ihr. Der Minister blieb noch eine Weile – nur, um mich zu beruhigen, dachte Elsie, und als Cucullan kleinlaut angeschlichen kam, ließ er es nicht zu, daß man ihn wieder vor die Tür setzte. Er versuchte sogar, sich mit ihm anzufreunden, worauf Cucullan leider sehr mürrisch reagierte. In der Bar herrschte wieder eitel Freude und Sonnenschein. Doch gleich nachdem der Minister in den Wagen gestiegen und nach Waterford abgefahren war, ging Elsie mit vor Angst köpfendem Herzen zu Mr. und Mrs. Blaney. Aber die beiden hatten sich mittlerweile beruhigt. Man würde Cucullan noch eine Chance geben. (Elsie tat ihrem Gewissen und ihrer Zunge Zwang an und verriet nicht, daß es schon Cucullans zweite

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