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Mutter macht Geschichten

Titel: Mutter macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Troy Una
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begrenzt war, ernteten Herrin und Hund nur eisige Blicke. Owen erhob sich und sagte, daß er im Konsultationszimmer noch etwas nachzusehen habe – offensichtlich, um den beiden Frauen Gelegenheit zu geben, allein zu sein und sich besser kennenzulernen. Cucullan stöhnte auf, als er ging. Elsie hätte es ihm gerne gleichgetan. Harriet fragte: »Möchten Sie noch Tee haben?«
    »Nein, vielen Dank.«
    Harriet begann, alles säuberlich auf das Tablett zu stellen.
    »Mein Bruder erzählte mir, daß Sie hier geboren sind, Mrs. Brown. Ich glaube, ich kann mich noch vage an Sie erinnern. Sie haben als Kind doch immer für die Fräulein Bradshaw die Besorgungen gemacht, nicht wahr?« Ihr Tonfall beschwor geschickt die Vorstellung eines kleinen schmuddeligen Waisenkindes herauf, das versucht, sich ein paar zusätzliche Pennies zu verdienen.
    »Ihre Großeltern hatten …«, hier machte sie eine Pause, um Elsies niedrige Herkunft zu unterstreichen, »eine Kneipe irgendwo, nicht wahr?«
    »Ein kleines Hotel.«
    »Ach, wirklich? Ich habe sie nur hie und da getroffen. Aber mein Vater wird sie höchstwahrscheinlich gekannt haben, er behandelte ja alle möglichen Leute in Dooneen, genau wie mein Großvater.«
    Der hatte die Großeltern bestimmt gekannt. Elsie erinnerte sich sogar noch, daß der alte Doktor nicht zuletzt für seine große Trinkfestigkeit von jedermann hochgeachtet wurde. Sie lächelte: »Ihr Vater behandelte mich einmal, als ich Masern hatte.«
    »Was Sie nicht sagen! Ja, Sie waren lange fort, Mrs. Brown. Vermutlich fällt es Ihnen schwer, sich wieder an Dooneen zu gewöhnen?«
    Mit anderen Worten: Mrs. Brown, Sie scheinen vergessen zu haben, daß mein Bruder sozial weit über Ihnen steht. Elsie erwiderte: »Nein, ich bin hier genauso gern wie früher.«
    »Ach, wissen Sie, unsere begabtesten jungen Leute wandern nach England aus, um dort ihr Glück zu machen. Man kann es ihnen natürlich nicht verdenken, denn die meisten bringen es zu etwas …« Ganz im Gegensatz zu Ihnen, Mrs. Brown! Sie haben es noch nicht mal nach fünfundzwanzig Jahren fertiggebracht, sich in London eine gesicherte Existenz aufzubauen! Elsie war amüsiert und sprachlos über Miss McDermotts Fähigkeit, nichts direkt zu sagen, aber alles durchblicken zu lassen … »Aber wir Zurückgebliebenen haben unter dieser Emigration zu leiden. Zum Beispiel ist es heutzutage fast unmöglich, in Dooneen ordentliche Dienstboten zu finden. Wir haben nur eine Zugehfrau zweimal in der Woche und einen Gelegenheitsgärtner. Natürlich habe ich meinem Bruder immer in der Praxis geholfen, so daß wir wenigstens diesbezüglich nie Sorgen hatten.« Harriet lachte trocken. »Aber sogar wenn wir das nötige Personal hätten, würde mein Bruder es nie zulassen, daß jemand anders diese Pflichten übernimmt oder gar für ihn kocht.«
    Womit Harriet, wiederum ohne ein direktes Wort zu sagen, Elsie klarmachen wollte, daß eine andere Frau und besonders ein verwitwetes Barmädchen nur über ihre Leiche in dieses Haus einziehen würde. Was sie allerdings nicht wissen konnte, war, daß all diese finsteren Andeutungen Elsie überglücklich machten. Es war so ermutigend, daß Harriet es für nötig hielt, ihr diese Warnungen zukommen zu lassen! Sie wußte nicht, ob Owen enttäuscht war, als er sah, daß seine Schwester und sie nicht gerade Busenfreundinnen geworden waren, aber wenn ja, dann zeigte er es auf jeden Fall nicht, sondern forderte Elsie und Cucullan fröhlich auf, ihn auf seiner Runde zu begleiten. »Ich bin immer dafür, die Konventionen einzuhalten«, bemerkte er undurchsichtig, als alle drei zufrieden im Wagen saßen. »Und nun vorwärts zu Mrs. O'Mearas Hexenschuß!« Elsie bewunderte sein ausgeglichenes Temperament. Denn auch wenn diese Xanthippe nur die Schwester war, so konnte es doch nicht leicht sein, sich an ihrer Seite die gute Laune zu bewahren.
    Der Rest des Tages war paradiesisch, und sie begegneten keiner Schlange mehr. Am Abend hatte Elsie das merkwürdige Gefühl, Owen schon ein Leben lang zu kennen. Sie fühlte sich so geborgen in seiner Gegenwart; vielleicht war das kein sehr romantisches Gefühl, doch wenn man so alt war wie sie, wußte man, daß es für die Dauerhaftigkeit einer Liebe wichtiger ist als Rosensträuße und Sinnentaumel. Sie sandte wieder ein Gebet zum Himmel, zu Mr. Brown, der ja wohl inzwischen wußte, wie es um sie stand, und ihr höchstwahrscheinlich längst verziehen hatte. Es war natürlich nicht sein Fehler gewesen –

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