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Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition)

Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition)

Titel: Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rosenberg
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nein! Heute wollte ich nun wirklich mal einen entspannten Abend haben.
    Ich sehe, wie Jens verstohlen zu mir hinübersieht. Er will wissen, wie ich reagiere. Die Stimme meiner Mutter klang zweifelsfrei sehr schrill. Ich stelle mich taub und versuche, dem Film weiter zu folgen. Das Lachen allerdings bleibt mir im Hals stecken, als im nächsten Moment jemand an unsere Wohnungstür klopft. Das kann ich natürlich nicht mehr ignorieren, und so gehe ich hin und öffne widerwillig. Ein sympathisch dreinblickender Mann in Pflegedienstkleidung lächelt mich unglücklich an.
    »Guten Abend. Tut mir leid, dass ich Sie störe. Aber ich habe ein Problem«, erklärt er freundlich.
    »Aha!« Mehr fällt mir in diesem Moment nicht ein. »Ich komm gleich«, entgegne ich und sage Jens kurz Bescheid.
    Ein Stockwerk tiefer finde ich meine Mutter vor, die ungehalten auf der Couch sitzt. Die Arme hat sie vor der Brust verschränkt und blickt mir böse entgegen.
    »Was gibt es denn für ein Problem?«, frage ich vorsichtig.
    »Von einem Mann lasse ich mich nicht ausziehen!«, schleudert sie mir entgegen. »Das kommt überhaupt nicht infrage.«
    Verlegen sehe ich den Pfleger an. »Tja, da haben wir wohl ein Problem«, sage ich zu ihm.
    Wie blöde, dass plötzlich ein Mann zur Pflege kommt. Damit habe ich nicht gerechnet. Irgendwie kann ich meine Mutter ja verstehen, trotzdem bin ich sauer. Kann heute Abend nicht mal alles glattgehen? Wie oft bin ich abends schon nach unten gegangen, weil die Pflegerin, die natürlich nicht immer die gleiche ist, die Wäsche, den Kamm oder sonstige Dinge nicht gefunden hat und mein Vater sich weigert zu assistieren. Er fühlt sich schikaniert. »Dauernd muss ich herumlaufen und Sachen suchen«, beschwerte er sich kürzlich bei mir. Oft weiß er auch selbst nicht, wo sich das Gesuchte befindet. Ich verstehe ja, dass es lästig ist, ständig etwas zu suchen, das man gar nicht verlegt hat. Sein Augenlicht ist nicht besonders gut, was die Sache noch erschwert.
    »Wie stellst du dir denn das jetzt vor?«, frage ich meine Mutter.
    Aber sie hat überhaupt keine Vorstellung, außer der, dass sie sich auf gar keinen Fall von einem Mann das Nachthemd anziehen lassen will.
    Es bleibt mir nichts anderes übrig, als den Pfleger unverrichteter Dinge weiterzuschicken. Dann werde ich Mutter eben helfen, das Nachthemd anzuziehen, denke ich. Auf die Waschzeremonie verzichten wir. Ich kann meine Eltern in den Arm nehmen, sie trösten und stundenlang mit ihnen reden. Aber ich kann nicht mit ihnen auf die Toilette gehen. Sie sind doch meine Eltern, und ich bin ihre Tochter. Zu so einer intimen Körperpflege bin ich nicht in der Lage.
    Ich begleite den Pfleger zur Tür und bitte ihn, in Zukunft seine weiblichen Kollegen zu schicken. Dann eile ich zurück, denn ich höre schon, wie mein Vater schimpft.
    »Keine Panik!«, rufe ich. »Mutti, ich helfe dir jetzt. Gemeinsam schaffen wir das schon.«
    Doch ich habe mich getäuscht. Meine Mutter sieht gar nicht ein, dass sie jetzt ins Bett gehen soll.
    »Nein. Ich will nicht! Ich gehe jetzt nicht ins Bett«, schimpft sie mit mir.
    »Aber warum denn nicht?«, frage ich erstaunt.
    So langsam kommt Verzweiflung in mir hoch. Es ist mittlerweile zehn Uhr, und ich bin hundemüde. Das Ende des Films habe ich jetzt auch versäumt. Es wäre wirklich schön gewesen, den Abend heute mit Jens vor dem Fernseher ausklingen zu lassen. So viele Abende verbringe ich mittlerweile im Erdgeschoss bei meinen Eltern.
    »Ich bin doch kein kleines Kind mehr!«, faucht sie.
    Und dann sagt sie nichts mehr. Sie verstummt. Die Hände schließt sie fest um ihren Stuhl und schaut mich herausfordernd an. Ich ahne, ich habe keine Chance mehr, ihr das Nachthemd anzuziehen.
    Mein Vater rennt zwischenzeitlich im Schlafzimmer hin und her. Dabei ruft er immer wieder: »Stell dich nicht so an!« oder »Das ist ja nicht auszuhalten mit dir!«
    Er ist mir keine Hilfe. Eigentlich macht er alles nur noch schlimmer, indem er so gereizt reagiert. Er setzt mich unter Druck. Ich merke, dass ich es allein nicht schaffe, ich fühle mich völlig hilflos. Meine Mutter ist ganz aufgeregt. So extrem habe ich sie noch nicht erlebt. Ich fühle mich total überfordert mit meinem schimpfenden Vater und der starrsinnigen Mutter, die sich jeglichem Zureden entzieht. Anscheinend fühlt sie sich persönlich angegriffen und geht auf Abwehr. Doch ich kann mich jetzt nicht mit ihr in Ruhe ins Wohnzimmer setzen, weil mein Vater so gereizt ist.
    Ich

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