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Muttergefuehle

Muttergefuehle

Titel: Muttergefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rike Drust
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ich am meisten Angst habe. Ich baue einen Runterspring-in-die-Kissen-schmeiß-Parcours für den Sohn, und er kann den ganzen Tag springen und reinschmeißen.

DER ALLTAG
    Noch mal! Noch mal! Noch mal!
    Die Langeweile. Die Langeweile. Die Langeweile.
    Spirituelles ist nicht so meins, wie ich unlängst bei einem Wochenende in einem Yoga-Zentrum feststellen konnte. Als dort Menschen anfingen, wild um ein Feuer zu tanzen, merkte ich, dass kreischender Ausdruckstanz nichts für mich ist.
    Ich fragte mich, ob es nicht noch andere Wege der Entspannung gibt. Die Antwort auf diese Frage war mein Sohn, der mich in einen tranceartigen Zustand versetzen kann, indem er Worte bis zu zweihundertmal wiederholt. Wenn er etwas haben will, mein Handy zum Beispiel, sagt er immer wieder »Mama Handy. Mama Handy. Mama Handy. Mama Handy. Mama Handy. Mama Handy. Mama Handy. Mama Handy. Mama Handy.«, aber ganz oft. Irgendwann hat er mich dann so weit: Ich starre nur noch auf seinen Mund, meine Großhirnrinde schwillt an, seine Stimme entfernt sich immer weiter von mir, und ich bin so bei mir, dass meine Alltagsgedanken erst immer leiser und schließlich durch ein monotones Rauschen abgelöst werden.
    Und wenn wir »Alle meine Entchen« oder »Backe, backe Kuchen« so häufig wie Mantras singen, erreiche ich einen meditativen Zustand, in dem die oben genannten Yogis auch dann noch nicht wären, wenn sie ihre kompostierbaren Wohlfühlschuhe schon längst durchgetanzt hätten.
    Ja, Wiederholung kann durchaus meditativ sein. Aber ehrlich gesagt macht sie mich viel öfter wahnsinnig. Nehmen wir das »Mama Handy«: Manchmal kann ich es tatsächlich ausblenden, aber viel öfter fressen sich diese zwei Worte durch meine Ohren ins Hirn und brüllen so laut in meine Synapsen, dass sie zurückbrüllen möchten: » JA, VERDAMMT! WIR HABEN ES SCHON BEIM FÜNFTEN MAL GEHÖRT !«, oder auch einfach » AAAAARRHHHHHGGGGG !«
    Letzteres wäre auch die passende Reaktion auf des Sohnes Art, Musik zu hören. Es gibt Tage, an denen er von einem Lied so oft die ersten zwanzig Sekunden abspielt, dass der CD-Player sich sofort Arme wünscht, damit er sich an seinem Kabel erhängen kann. Und auch beim Essen pflegt mein Sohn seine repetitive Monokultur: Er will immer nur ein Obst oder ein Gemüse, und natürlich hat er nach jeder Mandarine, die er isst, mindestens fünfzigmal gefragt, obwohl er sie schon beim dritten Nachfragen in der Hand hielt.
    Je gleicher alles ist, desto wohler fühlt sich mein Sohn. Aber je gleicher alles ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass ich irgendwann ausflippe. Wobei es bei mir nicht so sehr die kindlichen Gleichs wie »Mama Handy« oder »Noch mal!« sind, sondern eher die von Haushalt und Kinderpflege. Diese ewig gleichen Abläufe, diese elende Langeweile. Immer wieder muss ich wickeln, und immer wieder ist die Windel voll. Immer wieder wasche ich mein Kind in der Badewanne blitzblank, und immer wieder wird es schmutzig. Immer wieder hänge ich duftende Wäsche auf den Ständer, und immer wieder werfe ich sie verdreckt und stinkend wieder in die Maschine. Immer wieder kippt mein Sohn Milch um, wirft sein Brot durch die Gegend oder beschmiert den Stuhl mit Butter, und immer wieder wische ich alles weg. Wenn ich diese Wiederholungen richtig satt habe, könnte ich Mietnomaden aufnehmen oder in meiner Küche Crystal Meth kochen, nur damit mal etwas Ausgeflipptes passiert. Aber natürlich würde ich mir mit beiden Alternativen selbst ins Knie schießen. Im Gefängnis wäre mein Tagesablauf ja noch gleicher, und einen Mietnomaden habe ich auch schon, schließlich zahlt mein Sohn weder Miete noch hält er Ordnung. Vom Chaos lasse ich übrigens immer mindestens die Hälfte für den Mann liegen. Für den Rest bleiben mir nur zwei Möglichkeiten: Entweder nehme ich die Wiederholungen esoterisch, als total sinnliche Erfahrung der Einheit von Selbst und Welt, oder sportlich: Ich versuche, alles öfter zu singen oder zu sagen als mein Sohn. Hihihi.
    So bekämpfe ich die Langeweile:
    • Variationen: Lieder anders singen, mal als Oper, als Heavy-Metal-Stück, schnell, oder Bücher in anderen Betonungen und Stimmen lesen. Das macht auch dem Kind Spaß!
    • Ich lasse Sachen, zum Beispiel Schmutzwäsche oder Wollmäuse, liegen, damit der Mann sich darum kümmern kann, wenn er nach Hause kommt.
    • Ich verstecke die CDs, Bücher, Spielzeuge, die mir am meisten auf die Nerven gehen, so lange, bis ich sie wieder ertragen kann.
    • Ich

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