Muttergefuehle
abgeholt, etwas eingekauft, und wir haben nichts weiter vor. Der Tag ist ja auch fast schon vorbei, denke ich mir, da nutze ich die Zeit mit meinem Kind und stapfe motiviert ins Kinderzimmer. Wir lesen ein paar Bücher, bauen ein paar Türme, werfen ein paar Bälle durch die Gegend, toben und bauen eine Höhle. Es ist Viertel nach vier. Ich hole Stifte, und wir malen Feuerwehrautos und Omas. Wir trinken eine heiße Milch in der Höhle. Dann machen wir das Radio laut und tanzen. Es ist halb fünf.
Heilige Scheiße, es ist erst eine halbe Stunde um? Aber wir haben doch schon alles gespielt! Abendbrot ist in zwei Stunden. Was soll ich denn bis dahin nur machen? Ich werde panisch. Ich rufe meine Nachbarin an und frage, ob sie nicht spontan auf einen Kaffee vorbeikommen will. Sie kann nicht. Es ist fünf nach halb fünf. Je ungeduldiger ich werde, umso nöliger wird mein Sohn. Er merkt, dass ich unentspannt bin, und wird es deswegen auch. Er schlendert durch unsere Wohnung, sucht in jeder Ecke Ärger und wird in jeder Ecke fündig. Er drückt am DVD -Player rum, schmeißt eine Fernbedienung durch die Gegend, schießt seine Ukulele aus dem Zimmer, und ich meckere viel mehr als normal, einfach nur, weil es so langweilig ist und ich nur noch diese zwei Stunden vor mir sehen kann wie einen Achttausender, den ich in Flipflops mit einem Fünf-Kilo-Glas Nutella auf dem Kopf bezwingen muss. Inzwischen habe ich so oft auf meine Uhr geschaut, dass sie für meinen Sohn auf der »Auch haben wollen«-Skala mein Handy vom ersten Platz verdrängt hat. Es ist zwanzig vor fünf. Was für eine Qual!
In diesen Momenten schimpfe ich nicht nur mit meinem Sohn, sondern auch mit mir. Schließlich ist er doch schon den ganzen Tag in Betreuung, da müsste ich mich doch freuen über die »Quality Time«, die ich von halb vier bis zum Abendbrot mit ihm haben kann. Aber stattdessen bin ich unkreativ, langweilig und armselig. So armselig, dass ich sogar extra langsam schimpfe, damit mehr Zeit vergeht.
Dann gebe ich meinem Kind mein Handy zum Spielen, damit ich mal kurz Mails checken, in einer Zeitung blättern oder aus dem Fenster starren kann, in die Welt, in der die Zeit in normaler Geschwindigkeit vergeht.
Warum ist manchmal jede Minute länger als ein Film von Rosamunde Pilcher, wenn andere Tage vergehen wie im Flug? Manche Tage verbringe ich komplett und allein mit dem Sohn. Da ist zuerst ganz plötzlich Mittag, und ich habe vor lauter Rumgedaddel vergessen, Essen zu machen, und bevor ich Piep gesagt habe, hat das Kind schon den Schlafanzug an. Und wenn ich dann denke, was wir an diesen Tagen alles gespielt haben müssen, dann fällt mir auf, dass ich eigentlich nur Hausarbeit gemacht habe. Ich habe zum Beispiel den Kinderkleiderschrank aufgeräumt, Sachen aussortiert, auf Haufen gelegt, die mein Sohn immer wieder durcheinander- und ich immer wieder in Ordnung gebracht habe. Und auch bei allen anderen langweiligen Tätigkeiten vergeht die Zeit wie im Flug, weil er mich beeindruckend hartnäckig sabotiert. An diesen Tagen finde ich seine Sabotage kreativ und lustig statt nervig, wir sind im Fluss und genießen die Zeit miteinander. Wenn wir so den Tag verbringen, möchte ich die Zeit nicht totschlagen, viel lieber möchte ich ihr ein Käsebrot schmieren und sie bitten, etwas länger zu bleiben. Aber wenn ich eigentlich viel anderes erledigen muss, schlechte Laune habe, er krank oder halb krank ist und wirklich gar nichts zu tun ist, dann wünsche ich mir ein Wurmloch, durch das mein Sohn um halb vier direkt im Schlafanzug in sein Bett rutschen kann.
So schlage ich die Zeit tot:
• Ich verabrede mich. Ein Nachmittag mit Freunden, mit oder ohne Kinder, vergeht wie im Flug und macht meinem Sohn Spaß.
• Ich erledige die Dinge, die ich eigentlich aus Rücksicht aufs Kind auf die Abendstunden schiebe, gemeinsam mit ihm. Dabei darf er Chaos veranstalten, das heißt, ich lege jedes Handtuch viermal zusammen und räume die Waschmaschine fünfmal ein. Dafür ist aber auch plötzlich eine Stunde vergangen.
• Wenn niemand Zeit hat, die Wäsche gewaschen, der Kuchen gebacken und alles gespielt ist, dann darf er mit dem Handy spielen, und in ganz schlimmen Fällen von Zeitschleicherei gucken wir auch mal Fernsehen.
Das tollste Kind der Welt!
Der Stolz, wenn andere das Kind super finden.
Vorgestern war ich mit einer Freundin und unseren Kindern beim Pampers-Turnen. Zum Abschluss sitzen immer alle Kinder auf dem Mattenwagen und werden eine Runde
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