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Muttergefuehle

Muttergefuehle

Titel: Muttergefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rike Drust
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hören, guckten nicht mal von unseren Zeitungen auf und murmelten nur »Nix passiert, Hasenkind«. Wenig später, er hatte schon wieder aufgehört zu weinen, guckte ich doch auf: Sein Mund war blutverschmiert, und er hatte ein Stück Zahn verloren. Auch dieses Ereignis hat nicht unbedingt zu meiner Entspannung beigetragen.
    Aber ich gebe nicht auf und trainiere gegen meine Angst an, ich ermutige meinen Sohn, ohne Festhalten über die Hängebrücke zu gehen oder andere für mich in die Kategorie »lebensgefährlich« fallende Dinge auszuprobieren. Dabei zwinge ich mich, nicht hektisch um ihn herumzutänzeln und immer mit dem Arm zu zucken, wenn vielleicht etwas passieren könnte, sondern wie zufällig daneben zu stehen und ihn für seinen Mut zu loben. Das klappt ganz gut, und es macht Spaß, zu sehen, wie stolz er ist, wenn er etwas allein geschafft hat. Aber so cool wie andere werde ich nie sein.
    Vor ein paar Wochen habe ich sogar aus lauter Angst einen Spielplatz verlassen. Dort befand sich ein so gefährlicher Spielturm, dass ich vermutete, die Notaufnahme der städtischen Klinik habe ihn gesponsort – aus Mangel an Patienten. Erst schob ich mein mulmiges Gefühl mutig beiseite und ließ den Sohn dieses unfassbar dünne Seil hochbalancieren, obwohl er sich an den Seiten nur an zwei spindeldürren Fädchen festhalten konnte. Aber nachdem ich mir verdreht gebrochene Beine und zwei Schädelbasisbrüche mit blutenden Ohren ausgemalt hatte, brach ich das fröhliche Spielen ab.
    »Kind, es tut mir leid. Wir müssen nach Hause gehen. Ich bin ein Spielplatzschisser. Ich kann dir prima die Haare waschen, ohne dass du Schaum in die Augen bekommst, oder dir Medizin geben, ohne dass du ausflippst, aber ich kann nicht mit dir auf Spielplätzen spielen. Auch in deinem Interesse rate ich dir: Komm lieber mit Papa wieder.«
    »????«
    Eine Freundin von mir kann zum Beispiel seelenruhig Kaffee trinken und Zeitung lesen, während ihr zweijähriger Sohn auf dem Klettergerüst herumturnt. Ich hätte ein Loch in die Zeitung geschnitten, und die Milch in meinem Kaffee wäre vor lauter Zittern sofort zu Käse geronnen. Und um meinen Sohn so lässig auf einem Laufdreirad durch den Straßenverkehr bugsieren zu können wie eine andere Freundin von mir, müsste ich vorher eine Vollsperrung der Straße veranlassen.
    Ich würde so gern mit diesem Kopfkino aufhören oder zumindest zeitweise das Programm auf Ren & Stimpy ändern können. Aber es geht weiter. Zum Beispiel stirbt mein Sohn jede Nacht den Plötzlichen Kindstod, weil mir eine Frau bei der Elternschule etwas total Beknacktes eingeredet hat. Als er acht Wochen alt war, ging ich mit einer Freundin und unseren Söhnen dorthin. Wir wurden gleich gefragt, wie es uns geht. Meine Freundin war sehr müde und beklagte sich darüber, dass ihr Kind so schlecht schlief. Die Leiterin meinte aufmunternd: »Das ist ein gutes Zeichen, dann ist das Kind vital.« Ich war verwirrt, mein Sohn schlief zu diesem Zeitpunkt schon sieben Stunden am Stück, und ich fragte sie beunruhigt, was ihre Theorie denn für mein Kind bedeutete. Die Frau machte ein sehr ernstes Gesicht, beugte sich zu mir vor und sagte: »Da musst du aufpassen, dann besteht die Gefahr, dass er IMMER WEITERSCHLÄFT .« Dank dieser Frau hat sich bei mir die Angst eingebrannt, dass mein Kind, wenn es fest schläft, nicht mehr aufwacht, und so konnte ich die Phase, in der er so gut schlief, nie genießen. Natürlich ist das totaler Quatsch. Kinderarzt und Hebamme haben es mir versichert. Aber trotzdem rechne ich noch immer jeden Abend damit, dass der Mann, wenn er noch mal nach dem Kind guckt, panisch zu schreien beginnt, oder dass es »immer weitergeschlafen hat«, wenn wir morgens in sein Zimmer gehen, um es zu wecken. Das einzig Gute an meiner blühenden Phantasie ist, dass ich mir auf der anderen Seite auch unendlich viele Rache-Szenarien für diese blöde, inkompetente Ziege von der Elternschule ausmalen kann, zum Beispiel, dass sie beim Zähneputzen so hinfällt, dass ihr die Bürste direkt ins Hirn sticht.
    Was ich gegen meine Angst mache:
    • Ich sage mir, dass ich als Mutter nicht dazu da bin, mein Kind vor allem zu beschützen, sondern da zu sein und es zu trösten, wenn etwas schiefgegangen ist.
    • Ich habe in den bisherigen Extremsituationen festgestellt, dass ich eigentlich gut reagiere. Das entspannt mich.
    • Ich nehme mir an der Entspanntheit anderer Mütter ein Beispiel.
    • Ich lasse ihn genau das spielen, wovor

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