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Muttergefuehle

Muttergefuehle

Titel: Muttergefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rike Drust
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sowie Geschichten und Ratschlägen von Freunden. Man könnte sagen, ich weiß, was ich will, und überlege mir meistens spontan, wie ich es erreichen könnte. Mit meiner Erziehung möchte ich den Grundstein dafür legen, dass aus meinem Sohn ein freundlicher, aufgeschlossener Mensch werden kann, der so gern mit anderen zusammen ist wie andere mit ihm. Er darf ziemlich viel, und wir machen oft Quatsch, weil ich finde, dass er beim kreativen Spielen viel lernt. Ich liebe es, wenn wir uns zusammen verrückte Sachen ausdenken, auch wenn das mit Überschwemmungen im Bad oder Gemüsechaos in der Küche zu tun hat. Darüber hinaus achte ich darauf, ihm Neues wertungsfrei vorzustellen, weil er sich seine eigene Meinung bilden soll. Natürlich wird das später wichtiger, aber schon jetzt bin ich vor ihm zu Leuten, die ich blöd finde, genauso nett wie zu anderen, und selbst wenn ich ihm ein Gemüse präsentiere, das ich hasse wie die Pest, lasse ich ihn das nicht spüren. Ich will ihm meine Meinung nicht aufzwingen.
    Bis jetzt klingt das ja nach total entspannter Verständnismutter, allerdings werde ich zu Fräulein Rottenmaier, wenn es um Höflichkeit geht. Ich lege (vielleicht übertriebenen) Wert darauf, dass mein Sohn höflich ist, deshalb gibt es bei uns andauernd Hallos, und Tschüsses, Bittes und Dankes. Und der Spaß war für mich bis vor Kurzem vorbei, wenn er mich oder andere gehauen hat. Da brauchte mir keiner kommen mit »Das ist doch nur Kontaktaufnahme«, »Er hat kein anderes Ventil« oder so, hauen ging gar nicht, und das sollte er in aller Deutlichkeit erfahren. Ich habe ihn in sein Zimmer gebracht und klipp und klar gesagt, dass ich das nicht will. Inzwischen habe ich allerdings festgestellt, dass weniger strenge Ansagen genauso, wenn nicht besser wirken und die Stimmung nicht so vergiften. Wieder was gelernt: Mein vorheriges Verhalten war für meinen Sohn zu streng, in seiner derzeitigen Phase ist die sanftere Alternative die Lösung. Wir kuscheln sowieso viel, er wird besungen und abgeknutscht und furchtbar lieb gehabt und abgefeiert.
    Das hört sich ja fantastisch an! Nur leider funktioniert das alles überhaupt nicht, sobald mein Sohn oder ich beziehungsweise wir beide nicht auf der Höhe sind. Heute zum Beispiel: Er ist den dritten Tag krank zu Hause. Die letzten zwei Tage habe ich ihm alles erlaubt und durchgehen lassen, schließlich hatte er hohes Fieber und fühlte sich schlecht. Der Mann war über Nacht auf Dienstreise, und ich bin schon allein deshalb genervt, weil mich diese Selbstverständlichkeit, mit der er im Gegensatz zu mir seine Termine NICHT verschiebt, brutalst ankotzt. Dazu kommt, dass heute der schlimmste Tag mit krankem Kind ist, denn, fast gesund, ist mein Sohn vom zu Hause bleiben schwer gelangweilt, völlig unterfordert und wird schnell wütend. Er wirft mit Sachen, haut mich, und statt ihn, wie oben noch feierlich beschrieben, kreativ spielen zu lassen, meckere ich rum und steigere mich so in meine Genervtheit hinein, dass ich ihn anbrülle, als er mich das sechste Mal haut. Beim elften Mal Hauen breche ich in Tränen aus.
    Zu allem Überfluss ist heute der Tag, an dem die alten Regeln wieder gelten sollen, wogegen sich der Sohn natürlich mit Händen (Autos schmeißen) und Füßen (Ukulele schießen) wehrt. Eigentlich ein ziemlich dummer Tag für die Wiedereinführung der Familiengesetze, aber ich habe Angst, dass er sich an die Anarchie gewöhnt, und will so schnell wie möglich wieder auf normal schalten. Jedoch stoße ich gleich bei der ersten Erziehungsmaßnahme auf Gegenwehr. Wir schaukeln uns also gegenseitig hoch, bis die Situation aus dem Ruder läuft. Je genervter ich werde, desto strenger werde ich. Warum hat er überhaupt noch einen Schnuller? Schluss damit. Und wieso isst er im Stehen? Er muss sich jetzt sofort hinsetzen. SOFORT . Das Kind wird immer bockiger und kreischiger, und ich weiß gar nicht mehr, wie es so weit kommen konnte. Mein Nicht-Konzept ist jetzt wirklich eines, und ich sehe mich schon im Fernsehen, wie die Supernanny mir ein Video vorspielt, in dem ich meinen tobenden, verzweifelten Sohn anbrülle, woraufhin ich schockiert in Tränen ausbreche und dankbar schluchzend ihre Erziehungstipps annehme.
    Brauche ich Erziehungstipps? Wenn ich mir das verwirrte Gesicht meines Sohnes vor Augen rufe, wie er mich anschaute, als ich angefangen habe zu heulen, dann denke ich mit einem furchtbar schlechten Gewissen: »Ja! Am besten nehmt ihr mir mein Kind sofort

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