Muttergefuehle
paar Wochen in Barcelona waren und er mir zeigte, dass er nicht im Buggy fahren wollte, indem er mich kratzte und mir einen großen Büschel Haare ausriss, habe ich ihn so laut angebrüllt, dass danach mein Hals gekratzt hat. Noch mehr als mein von unzähligen Passanten beäugter Wutausbruch selbst hat mich danach gewundert, dass er funktioniert hat. Erst wollte der Sohn auf meinen Arm, und nachdem wir kurz gekuschelt und uns wieder vertragen hatten, setzte er sich ohne zu mucken in den Buggy. Jetzt schreie ich ihn immer gleich an.
Das war natürlich nur ein Scherz. Aber ich bin froh zu wissen, dass es kein Weltuntergang ist, wenn ich mal nicht schaffe, ihn tausendmal pseudogeduldig darum zu bitten, nicht zu hauen, sondern einfach meinem Ärger Luft mache. Mein Kind kann ruhig mal mitkriegen, dass ich wütend bin. Und andere Leute auch. Als ich einer Freundin, ebenfalls Mutter, gestand, dass mein Sohn mich gerade so nervt und ich mir manchmal wünschte, er wäre nicht da, war sie zuerst schockiert. Aber schon eine Woche später hatte ihr Kind eine anstrengende Phase, und sie war froh, dass ich vorher ehrlich zu ihr war, denn so wagte sie, sich bei mir hemmungslos über ihr Kind zu beklagen. Und wir beide wussten unsere, zugegeben manchmal ziemlich harten, Äußerungen als das zu nehmen, was sie waren: Keine ernst gemeinten Verwünschungen, sondern nur ein Ventil für unsere Wut. Etwas Gemeines übers Kind zu sagen, wenn es das nicht hört, hilft mir nämlich besser, als ein Kissen zu verprügeln. Wenn ich richtig fies vom Stapel gelassen habe, bin ich meistens schon einen Großteil der Wut los. Und falls das nicht klappt, kann ich ihn ja immer noch anschreien. Als ich das letzte Mal gebrüllt habe, hat er mir danach sogar Salzbrezeln angeboten.
Das mache ich gegen die Wut:
• In Gesprächen mit anderen Müttern sage ich ehrlich, wie es mir geht und was ich denke (so, dass das Kind es nicht mitbekommt). Wenn ich höre, dass es anderen genauso geht, entspannt mich das schon.
• Gewalt gegen Kinder geht gar nicht. Und ich gehe aufmerksam durch die Welt, damit ich Kinder in meiner Umgebung im Ernstfall davor schützen kann. Aber ich spiele mich nicht in jeder Situation als Moralapostel auf.
• Wenn ich wütend bin, mache ich die Augen zu, atme tief durch und sage mir immer wieder, dass er ausprobiert, wie weit er gehen kann, und dass dieses Austesten nachvollziehbar ist. Und dass es an mir ist, ihm auf vernünftige Weise zu zeigen, wann Schluss ist.
• Wenn Durchatmen nicht reicht, haue ich so heimlich wie möglich auf den Tisch, in Kissen oder trete gegen Wände oder den Wickeltisch.
• Wenn Treten und Hauen nicht reicht, brülle ich den Sohn an. Danach entschuldige ich mich und erkläre, warum ich so sauer war. Letzte Frage im Satz ist: Sind wir wieder Freunde? Danach drücken wir uns und fangen wieder von vorn an.
• Ich habe die schlimmste Zeit noch vor mir. Für den Fall, dass ich irgendwann hauen will oder so überfordert bin, dass ich nicht weiterweiß, habe ich Telefonnummern von Stellen, die mir helfen können, parat, zum Beispiel das Elterntelefon:
Montag und Mittwoch 9.00 Uhr – 11.00 Uhr
Dienstag und Donnerstag 17.00 Uhr – 19.00 Uhr
0800 111 0 550
Oder war das jetzt doch zu streng?
Die Zweifel an den eigenen Erziehungsmethoden.
Wenn mich jemand nach meinem Erziehungsansatz fragt, antworte ich mit einem entschiedenen »Ich wurschtel mich durch«. Denn während ich bei meinen Eltern, wie die meisten anderen Kinder dieser Zeit, nebenher lief, klare Ansagen gekriegt habe und weder mit mir noch miteinander groß über die Art der Erziehung diskutiert wurde, kommen heute auf jedes Kind mindestens drei verschiedene Ansätze. Es gibt zum Beispiel Eltern, deren größtes Ziel es ist, dass ihr Kind nicht weint, damit es ohne Frustration ein Urvertrauen aufbauen kann. Andere Eltern haben die Strenge vorheriger Generationen wiederentdeckt und führen mit harter Hand und ohne Spaß durchs Familienleben. Wieder andere sind so gläubig, dass sie ihre Kinder von allem, was mit Kommerz, Zucker und sekundären Geschlechtsorganen zu tun hat, fanatisch fernhalten.
Ich habe kein Konzept, – und das ist gut, weil ich mich nach nichts richten muss, das ist aber auch schlecht, weil ich mich nach nichts richten kann. Wenn alles normal läuft, weiß ich, wie ich mit meinem Kind umgehen möchte, und bediene mich aus einem persönlichen Mix aus Erfahrung, in Illustrierten und Büchern gesammelter Information
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