Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Muttergefuehle

Muttergefuehle

Titel: Muttergefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rike Drust
Vom Netzwerk:
durchschreiben, ohne dass ihm jemand mit Prittstift die Umrisse seiner Tastatur auf den Schreibtisch malt oder ihm auf den Schoß kotzt. Er war frei. Und ich war es nicht. Ich war Hausfrau und Mutter. Ich habe mich in der Wohnung mit meinem Kind, mit meiner Unsicherheit und Angst gefühlt wie in einem Gefängnis. Schließlich hatte ich immer so viel Bestätigung aus meiner Arbeit gezogen und so viel Wert auf meine Unabhängigkeit gelegt.
    Fürs gute Gefühl schrieb ich, wann immer ich die Zeit hatte. Statt mich mit dem Kind schlafen zu legen, weil ich eine kurze, verhackstückelte Nacht hatte, setzte ich mich an den Computer und schrieb kleine Artikel oder Blogbeiträge. Nichts, was Geld einbrachte, aber mir zumindest das Gefühl gab, nicht nur Mutter zu sein. Im Nachhinein finde ich es etwas schade, dass ich mich in der ersten Zeit so unwohl gefühlt habe und alle »Entspann dich, das wird alles besser und einfacher«-Tipps an mir abgeprallt sind, weil ich jetzt weiß, dass ja wirklich alles besser und einfacher wird. Stattdessen saß ich schon morgens mit Grummelgesicht am Frühstückstisch und war angesichts der Aussichten auf den Tag ziemlich genervt. Während ich durch meine Endlosschleife aus Wickeln-Spielen-Schlafenlegen torkelte, stellte ich mir voller Neid den Mann bei der Arbeit vor: Gut aufgelegt hält er mal hier, mal da ein Schwätzchen, schüttelt ein paar Präsentationen aus dem Ärmel und sitzt die meiste Zeit Kaffee trinkend vor seinem Rechner und liest im Internet und in hippen Magazinen alles, was die Leute so schreiben, die eben nicht den ganzen Tag wickeln, spielen oder schlafen legen. Das war natürlich unfair von mir, denn er hatte mindestens genauso viele Scheißtage wie ich. Für ihn war der Druck, plötzlich alleiniger Brotverdiener zu sein, extrem groß, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sein Job sehr fordernd und manchmal ziemlich blöd war. Wir fühlten uns an diesen Scheißtagen beide unverstanden und ungerecht behandelt, und zwar so sehr, dass wir uns gar nicht mehr in die Lage des anderen versetzen konnten. Das hat sich bis heute nicht geändert. Ich finde die Arbeitssituation für Eltern immer noch eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Es gab und gibt Momente, in denen ich neidisch bin, dass der Mann sein Arbeitsleben viel weniger einschränken muss als ich. Aber mein Supermann hat mir in einem Schlüsselmoment gezeigt, dass unser Leben gar nicht so unterschiedlich ist. Er kam von der Arbeit nach Hause und fand mich als Häufchen Elend am Küchentisch. Mit wirren Haaren und vollgekotztem Shirt schluchzte ich: »Ich sitze den ganzen Tag herum und erzähle jemandem, der mich nicht versteht, Dinge, die keinen Sinn machen.«
    »Ich auch.«
    Für seine Antwort würde ich ihn jeden Tag wieder heiraten.
    Meine Mittel gegen die Verbitterung:
    • Ich habe den exklusiven Hausfrauen- und Mutterstatus nach einem Jahr aufgegeben. Das Kind kam zum Tagesvater, und ich konnte halbe Tage wieder arbeiten, was sich für mich als perfekte Mischung herausstellte.
    • Wir tauschen die Rollen. Wenn ich ganze Tage arbeiten gehe, verstehe ich zum Beispiel, dass der Mann erst mal eine Auszeit braucht, wenn er nach Hause kommt, auch wenn er das Kind den ganzen Tag nicht gesehen hat. Je mehr beide alles machen, desto besser können wir den anderen verstehen.
    • Beide können einen Scheißtag haben. Deshalb wird am Abend nicht automatisch dem Mann das Kind in die Hand gedrückt, sondern gerecht verglichen, wer den schlimmeren Tag hatte.
    Wer, wenn nicht wir?
    Die Verbundenheit mit dem Partner.
    Der Mensch, der behauptet hat, dass Kinder Beziehungen kitten können, ist sehr wahrscheinlich derselbe, der behauptet, Lichtnahrung mache richtig satt. Denn wenn ein Kind in die Beziehung kommt, dann ist das meistens eine ziemlich harte Belastungsprobe. Bei mir ging es schon in der Schwangerschaft los, denn ich reagiere schon unschwanger sehr extrem auf hormonelle Veränderungen. Ich will die Hormone hier überhaupt nicht als Totschlagargument anwenden, weil ich selbst am liebsten alle totschlagen würde, die das tun. Alle meine Reaktionen waren echt und gerechtfertigt und würden vermutlich auch bei einer nächsten Schwangerschaft wieder so eintreten, aber mit etwas emotionalem Abstand betrachtet, war ich zwischendurch wirklich extrem anstrengend. Und mein Mann hat sich alles von Fatalismus über Hysterie bis Schwarzmalerei angehört, es verstanden, versucht zu verstehen oder höflich so getan, als würde er

Weitere Kostenlose Bücher