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Muttergefuehle

Muttergefuehle

Titel: Muttergefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rike Drust
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weg, weil ich nicht immer schaffe, besonnen zu reagieren. Oder ihr beamt mich in irgendeine Zeit oder Region, in der alle Kinder gleich erzogen werden und ich mir nicht ständig Gedanken darüber mache, ob etwas richtig oder falsch ist und mein Kind durch meine Erziehung irreparable psychische Schäden erleidet.«
    Brauche ich wirklich Erziehungstipps? Ich glaube nicht. Denn das Einzige, was mir in diesen Momenten wirklich hilft, ist Abstand zum Kind. Das gibt mir Kraft für die nächsten Wutanfälle und Zeit zum Nachdenken, ob ich die nächsten Male nicht vielleicht anders reagieren möchte. Dann sage ich meinem schlechten Gewissen: »Himmel noch mal! Ich bin ein Mensch und keine Maschine. Es ist doch klar, dass ich nicht mit voller Kraft fahren kann, wenn mir Schlaf, Entlastung, Gerechtigkeit oder meine Arbeit fehlen. Solange der normale Umgangston voller Liebe und Spaß ist, ist alles super.« Dann beruhige ich mich und mein schlechtes Gewissen wieder und komme damit zum letzten Punkt meines flexiblen Erziehungsansatzes: Ich möchte meinem Sohn gegenüber ehrlich und authentisch sein, weil ich glaube, nur so weiß er, dass er sich immer auf mich verlassen kann. Rumschreien und Losheulen gehörten für mich genauso dazu wie meine darauffolgende Entschuldigung und die Erklärung, warum ich so ausgeflippt bin.
    Meine flexiblen Erziehungsregeln:
    • Ich bleibe authentisch. Meinem Kind das Gefühl zu geben, dass es weiß, wer ich bin, ist für mich wichtiger, als ihm mit einem aufgesetzten Dauergrinsen die perfekte Mutter vorzuspielen.
    • Ich versuche, in Extremsituationen nicht zu streng zu werden. Dann zwinge ich mich dazu, mehr durchgehen zu lassen und die Erziehungsarbeit ein paar Tage nach hinten zu schieben.
    • Klappt das nicht, schreie ich auch mal rum. Am liebsten gleich, dann ist es raus, und mein Kind kann das Gebrüll einer Situation zuordnen. Doof: reinfressen und an völlig unpassender Stelle ausflippen.
    • Ich tausche mich mit dem Mann aus, und wir stellen zur besseren Orientierung gemeinsam Erziehungsregeln auf.
    • Mein Sohn darf vieles ausprobieren, auch wenn das Chaos bedeutet. Damit ich mir so wenig Stress wie möglich damit mache, gilt: Es wird nur einmal am Tag aufgeräumt, und zwar abends.
    • Ich sage nicht so oft Nein, aber wenn, dann bleibt es auch dabei (meistens).
    • Ich beobachte das Kind und unterstütze seine Neugier und seine Interessen.
    • Ich versuche, die Schuldgefühle und die Enttäuschung klein zu halten, wenn ich es nicht schaffe, die Regeln zu befolgen.
    Der macht ja alles nach!
    Die Verwirrung, plötzlich Vorbild zu sein.
    Gestern habe ich mich am Rücken gekratzt. Die Stelle, die gejuckt hat, lag genau zwischen den Schulterblättern, und ich kam schlecht dran. Mein Sohn stand mir gegenüber und machte plötzlich die gleichen beknackten Bewegungen wie ich und strahlte mich dabei so glücklich an, als hätte ich ihm erlaubt, seine Zahnpasta zu frühstücken.
    Seit er mehr kann als rumliegen, macht er mir alles nach. Das fand ich zuerst niedlich, zum Beispiel, wenn er wie ich in die Hände klatschte oder wie ich zu einem lauten » HURRAA !« die Arme nach oben riss. Aber leider klatsche ich nicht den ganzen Tag verzückt in die Hände, weil es eben auch öfter mal Gründe gibt, statt »Hurraa!« so etwas zu rufen wie »Wuaaa, Vorsicht!« oder »Nicht in den Mund stecken!« oder »Argh, ich flippe gleich aus!«. Wenn mein Sohn mich in diesen Momenten nachmacht, wird das meistens ganz schön peinlich. Als er mich das erste Mal beim Meckern kopierte, konnte er noch nicht mal laufen. Er hielt sich auf wackligen Beinen mit der einen Hand am Tisch fest und hielt mir mit der anderen, beziehungsweise mit dem Zeigefinger, eine amtliche Standpredigt. Genau wie ich. Bestimmt haben alle mitleidig gedacht: »Das arme Kind kriegt bestimmt einen Schaden, weil die blöde Mutter viel zu streng ist.« Und manchmal denke ich auch, er flüchtet vor seiner Mutter in eine bessere Phantasiewelt, zum Beispiel wenn er mit einem »Hoppala« sein imaginäres (!) Plektrum fallen lässt, es aufhebt und dann weiter auf seiner Ukulele spielt. Auf jeden Fall habe ich mir das mit dem Zeigefinger schnell wieder abgewöhnt und er sich dann auch.
    Gerade kopiert er mein Telefonverhalten. Er kann sich weder einen Strumpf allein anziehen, noch kriegt er seinen Joghurt selber auf, aber er scannt innerhalb von fünf Sekunden einen Raum nach erreichbaren Mobiltelefonen, verhält sich dann unauffällig bis

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