Muttergefuehle
es verstehen.
Immer wenn ich mich frage, warum ich in den ersten Monaten mit meinem Sohn nie Zeit hatte, nicht einmal um zu duschen, obwohl er doch eigentlich nur rumlag und schlief, wird mir klar, dass wir, der Mann und ich, einen Großteil der Zeit mit Reden, Diskutieren und Problemewälzen verbracht haben. Oft haben wir uns, sobald das Kind seinen Mittagsschlaf machte, auch wieder ins Bett gelegt und uns gegenseitig unsere schlimmen Gedanken gebeichtet. Ich hatte zum Beispiel Angst, dass sich unser Kind zwischen uns drängt und wir keine Zeit mehr füreinander haben würden. Manchmal habe ich ihn und mich gefragt, ob es überhaupt die richtige Entscheidung war, ein Kind zu bekommen. Und ich habe mich furchtbar deshalb gefühlt. Aber der Mann hat mich nicht verurteilt, denn oft ging es ihm genauso. Diese ehrlichen Gespräche haben mir die erste Zeit extrem erleichtert, und sie haben uns als Paar noch enger zusammengeschweißt.
Die Extremerfahrung Kind hat uns wie keine andere Erfahrung zuvor gezeigt, dass wir uns immer aufeinander verlassen können. Sobald einer nicht mehr kann, springt der andere ein, und wir haben beide ein gutes Gespür dafür, zu merken, wer von uns die Pause dringender braucht. Als ich mit Augenringen am Abendbrottisch saß und aus lauter Angst vor der nächsten anstrengenden Nacht weinte, schickte er mich ins Schlafzimmer, drückte mir Ohropax in die Hand und übernahm kommentarlos die Nachtschicht. Als unser Sohn noch gestillt wurde, ist der Mann jede Nacht aufgestanden und hat ihn mit abgepumpter Muttermilch gefüttert, damit wir beide ein paar Stunden am Stück schlafen konnten. Für ihn ist nämlich klar, dass er außerhalb seiner Arbeitszeit zu gleichen Teilen wie ich für das Kind sorgt, dass wir Termine und Verabredungen absprechen und uns Mühe geben, alles so gerecht wie möglich zu verteilen. Das ist (leider noch) außergewöhnlich großartig, und jede Leserin ist herzlich eingeladen, diese Informationen als Druckmittel beim eigenen Partner einzusetzen.
Aber Zuverlässigkeit und Vertrauen sind nicht der einzige Grund, warum ich meinen Mann so toll finde: Mit seinem Humor hat er mich aus vielen Löchern geholt. Als wir zum Beispiel zwei Tage nach der Geburt unser Neugeborenes in den Kreißsaal-Bereich schoben, um nach meiner Hebamme zu suchen, und uns eine Schwester anzischte: »Was machen Sie hier?«, antwortete mein Supermann: »Wir wollten ihn zurückbringen, es ist irgendwie doch nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben.« Ich war mir sicher, dass gleich meine Kaiserschnitt-Narbe platzen und meine Milz auf den Boden klatschen würde. Seine und unsere Witze haben auf jeden Fall viele Nächte einfacher gemacht und viel Geschrei erträglicher (»Sehr verehrte Damen und Herren, Sie hören das Kind mit seinem Superhit WÄH , WÄH . Seien Sie gespannt auf die Zugabe!«).
Was auch toll ist: Wir nehmen uns Zeit füreinander. Von Anfang an sind wir zu zweit ausgegangen, haben unser wenige Wochen altes Kind im Stubenwagen zur tollen Nachbarin geschoben und sind auf einen Geburtstag gegangen. Freunde babysitten, damit wir auf Konzerte oder einfach mal in Ruhe essen gehen können. Inzwischen hat unser Kind schon beim Tagesvater übernachtet, damit wir zu Hause Averna trinken und Singstar spielen können. Ich genieße die Zeit, die ich mit ihm allein habe, auch wenn wir im Restaurant manchmal unsere Handys zücken und uns gegenseitig die neuen Fotos von unserem Junior zeigen, wobei wir selbstverständlich in der Sprache unseres Sohnes sprechen und »Häni« statt »Handy« sagen.
Und wenn wir wieder nach Hause kommen und Hand in Hand vor unserem schlafenden Kind stehen, dann bin ich so verliebt und stolz und dankbar, wie ich nur sein kann, dass dieser tolle Mann mit mir eine Familie gegründet hat. Klar finde ich ihn auch ganz schön oft doof, aber das Paar, das mit einem kleinen Kind immer entspannt und verliebt pfeifend durchs Leben tanzt, hat entweder ein Drogenproblem oder einen Zehn-Stunden-Krippenplatz und bringt das Kind danach zum Übernachten zu den Großeltern. Es muss nicht immer alles gut sein. Mir ist nur wichtig, dass uns Streit etwas bringt und dass wir uns immer wieder vertragen. Meine allerliebste Vertrage-Situation hatten wir übrigens auf dem Weg zum Einkaufen: Nach hitziger Diskussion waren wir schon in der Phase, in der wir leicht grinsend Eingeständnisse grummelten. Vor dem Laden meinte ich: »Hoffentlich haben die hier Samthandschuhe.«
»Oder ein dickes
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