Mutterliebst (German Edition)
versuchen, Max aus Maitland rauszuholen. Der Richter hat angeordnet, dass er so lange dort bleiben muss, bis das Gericht über seine Zurechnungsfähigkeit entschieden hat. Danielle weiß nicht, was ihr mehr Angst macht: der Gedanke an Max, der immer noch in Maitland ist, oder das Wissen, dass er mit sechzehn als Erwachsener eingestuft und bis zum Prozess ins County-Gefängnis gesteckt werden kann. Solange er noch als Jugendlicher durchgeht, wird er zumindest nicht von abgebrühten Kriminellen umgeben sein – das hofft sie wenigstens. Es hängt alles von der Anhörung in zehn Tagen ab, bei der über seine Zurechnungsfähigkeit entschieden wird. Es gelingt ihr immer noch nicht, ihren Schock zu überwinden. Das alles ist ein unaussprechlicher Albtraum.
Danielles einziger Telefonanruf an jenem schrecklichen Tag ging an Lowell Price, den freundlichen Seniorpartner und Geschäftsführer ihrer Kanzlei. Er war, wie erwartet, geschockt und entsetzt von der Nachricht, dass Max verhaftet worden war, und das auch noch unter dem Verdacht, einen anderen Jungen umgebracht zu haben – noch dazu einen Patient der Psychiatrie. Glücklicherweise erreichte sie ihn, ehe die Times Wind von der Geschichte bekam und sie über alle Gazetten in die Welt verbreitete. Während ihres kurzen, qualvollen Gesprächs bat sie um etwas, was sie noch nie zuvor getan hatte – um Hilfe. Und Hilfe in der Person von A. R. Sevillas wird jeden Moment erscheinen. Danielle sitzt in seinem Büro in Des Moines und wartet.
Seine Sekretärin hat ihr gesagt, dass er sich verspäten wird – vermutlich vertritt er noch irgendeinen anderen Kriminellen. Ihre Hände zittern. Sie muss Max – und sich selbst – aus diesem teuflischen Fiasko befreien.
Die Tür geht auf. Danielle dreht sich um, und für einen kurzen, entsetzlichen Moment schaut sie in die braunen Augen eines Mannes, dem sie nicht nur bereits begegnet ist, sondern mit dem sie eine leidenschaftliche Nacht geteilt hat. Tony steht da wie angewurzelt, den Türgriff noch immer in der Hand. „Mein Gott, Lauren?“ Sein Gesicht hellt sich auf, er grinst breit, während er den Raum durchquert. Ehe sie weiß, wie ihr geschieht, liegt sie in seinen Armen. „Wie hast du mich gefunden? Ich meine, ich bin froh, dass du es getan hast. Als du unser Dinner abgesagt hast, dachte ich …“
„Oh, Tony!“ Danielle bricht in Tränen aus und schüttelt den Kopf. Er schließt sie noch fester in die Arme und wispert wundervolle, unverständliche Dinge in ihr Ohr. Sie schlingt die Arme um seinen Hals und vergräbt ihr Gesicht an seinem gestärkten, weißen Hemd. Sein mittlerweile vertrauter Duft sorgt nur dafür, dass sie noch heftiger weint.
„Es wird alles gut, Lauren. Was auch immer es ist, lass mich dir helfen.“ Er packt sie bei den Schultern und schaut ihr in die Augen. Er strahlt eine stille Zuversicht aus, die sie insoweit beruhigt, dass sie die Worte formen kann, die gesagt werden müssen.
Sie holt tief Luft. „Mein Name ist nicht Lauren.“
Sein Herz scheint einen Schlag auszusetzen, doch er erholt sich schnell wieder. „Ich verstehe. Aber das allein kann es nicht sein, was dich so aus der Fassung bringt.“
„Nein, das ist es nicht.“ Sie geht auf den Stuhl zu, der seinem großen, dunklen Schreibtisch gegenübersteht. „Bitte, Tony, setz dich. Ich muss dir eine lange Geschichte erzählen.“
Sevillas blickt auf seine Uhr. „Es tut mir leid, aber es wird gleich eine Mandantin kommen. Sie sollte in ein paar Minuten hier sein.“
Danielle schüttelt den Kopf. „Du verstehst nicht. Sie ist bereits hier.“
Verwirrung zeichnet sich auf seinem Gesicht ab, dann wird er plötzlich ganz blass. „Du willst damit nicht sagen, dass …“
„Ich bin Danielle Parkman.“
Tony lässt sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen. Dabei blickt er ihr unverwandt in die Augen. „Das kann nicht sein.“
Scham erfüllt sie. „Ich fürchte doch.“
„Willst du mir sagen, dass es dein Sohn ist, den man beschuldigt, diesen Jungen in Maitland umgebracht zu haben?“
Danielle widersteht dem Impuls, den Arm über den Schreibtisch auszustrecken und seine Hand zu ergreifen. Stattdessen bemüht sie sich um eine feste Stimme. „Max hat niemanden umgebracht, Tony. Bitte glaub mir das.“
Er blickt auf den Berg an Prozessakten auf seinem Schreibtisch, und dann schaut er Danielle an. In seinem Blick liegen Schock und das Gefühl, verraten worden zu sein. „Ich will dir glauben, aber Herr im Himmel, Laur…
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