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Mutterliebst (German Edition)

Mutterliebst (German Edition)

Titel: Mutterliebst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoinette van Heugten
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Deckel, als er zur Tür hereinkommt.
    Er wirkt ganz geschäftsmäßig in seinem grauen Nadelstreifenanzug. Mit wenigen Schritten marschiert er zu ihr herüber und drückt ihre Schulter. Seine Berührung ist elektrisierend. „Guten Morgen“, sagt er. „Du siehst aus wie jemand, der gut geschlafen hat.“
    „Das habe ich tatsächlich. Ich war müder, als ich gedacht hatte.“
    Er nimmt hinter dem Schreibtisch Platz und schenkt sich einen Kaffee aus einer silbernen Thermoskanne ein. „Das ist verständlich.“
    „Tony?“ Sie bemüht sich, die Verzweiflung aus ihrer Stimme herauszuhalten. „Hast du Max getroffen? Geht es ihm gut? Kann ich ihn sehen?“
    Er nickt. „Ja zu den ersten beiden Fragen, nein zu der dritten.“
    Sie ist am Boden zerstört. „Erzähl mir zuerst, wie es ihm geht.“
    „Es scheint ihm gut zu gehen, aber er ist verständlicherweise sehr besorgt wegen dir – und wegen Jonas’ Tod“, entgegnet er. „Ich habe ihm versichert, dass es dir gut geht, dass ich euch beide vertreten werde und dass er bald mit dir sprechen kann. Ich glaube, dass es ihm schon wesentlich besser ging, als ich ihn verlassen habe.“
    „Kann ich mit ihm reden?“
    „Ich habe durchgesetzt, dass du täglich mit ihm telefonieren darfst. Der zuständige Richter hat zugestimmt, dass es in Max’ bestem Interesse wäre.“
    Erleichterung erfüllt sie. „Oh, Tony, ich kann dir gar nicht genug danken. Darf ich ihn jetzt anrufen?“
    „Heute Nachmittag. Und du musst dich kurz fassen.“
    „Wie kurz?“
    „Das Gericht hat entschieden, dass die diensthabende Schwester das Recht besitzt, das Gespräch zu beenden, wenn sie es für angemessen hält.“
    Danielle stöhnt. „Schwester Kreng. Sie wird mir keine fünf Minuten geben.“
    Tony zuckt die Schultern. „Wir haben keine andere Wahl. Vielleicht schaffen wir es, den Richter davon zu überzeugen, die Telefonkonferenzen auszuweiten. Und ich versuche, einen persönlichen Besuch durchzusetzen – unter Aufsicht, natürlich.“
    Sie holt tief Luft. „Es ist nicht viel, aber ich nehme es. Jetzt erzähl mir von deinem Besuch.“
    Er berichtet ihr von Max’ entsetzter Reaktion auf die Anklagepunkte, die man sowohl ihm als auch seiner Mutter vorwirft, sowie die bevorstehende Anhörung. Als Tony ihn nach der Tat befragte, beharrte Max darauf, dass er sich an rein gar nichts erinnern könne. Er war in Tränen aufgelöst und zu Tode verängstigt, aber er beruhigte sich, als Tony ihm versicherte, dass er jeden Tag mit ihm reden und Danielle ihn bald anrufen würde. Tony war insgesamt eine Stunde lang bei ihm, doch Max fiel es schwer, während des kompletten Zeitraums wach zu bleiben. Tony blieb, bis er schließlich einschlief. Seine Stimme wird sanfter. „Er ist ein feiner Junge, Danielle. Ich werde alles tun, was ich kann, um ihn zu dir zurückzubringen.“
    Tränen schnüren ihr die Kehle zu, als sie Anstalten macht, aufzustehen und zu ihm zu gehen. „Oh, Tony, wie soll ich das alles ertragen?“
    Er zeigt mit dem Finger auf den Stuhl. „Indem du dich zusammenreißt und mir hilfst, eine starke Verteidigungsstrategie aufzubauen.“ Sie setzt sich wieder. Er schenkt ihr dieses wundervolle, warme Lächeln. „Und indem du nicht zu mir herüberkommst und es mir unmöglich machst, mich zu konzentrieren.“
    Sie erwidert sein Lächeln. „Was immer Sie wollen, Herr Anwalt. Wo fangen wir an?“
    Sevillas deutet auf die Kiste neben seinem Schreibtisch. „Gleich hier. Sobald ich …“
    Die Tür wird aufgestoßen, und ein zerzaust wirkender Mann, der ein schmuddeliges Golfshirt und eine Khakihose mit einem großen, eingetrockneten Kaffeefleck auf dem rechten Oberschenkel trägt, marschiert herein. Sein weißes Haar steht zu allen Seiten ab. Er sieht so aus, als wäre er gerade erst aus der Dusche gekommen und hätte danach mit der Hand in eine Steckdose gegriffen. Seine Stimme klingt wie knirschender Sand. „Morgen zusammen.“
    Danielle schaut zu Sevillas hinüber und erwartet, dass er dem Streuner den Weg zur Tür weist. Stattdessen erhebt sich Sevillas und lächelt. „Doaks – schön, dich zu sehen. Ich möchte dir Danielle Parkman vorstellen.“
    Der Mann dreht sich zu Danielle um und streckt ihr eine raue braune Hand entgegen. Sein Stirnrunzeln bricht auf. Plötzlich zeigt sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht, das daran nicht gewöhnt zu sein scheint. „Bin froh, Sie kennenzulernen.“
    Seine Hand zu schütteln ist wie ein Stück Schmirgelpapier zu ergreifen.

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