Mutterliebst (German Edition)
dokumentiert. Dabei pfeift er leise durch die Zähne.
Danielle fühlt sich abgestoßen. Sie kehrt zu ihrem Stuhl auf der anderen Seite des Konferenztischs zurück, so weit weg von der Kiste wie möglich. Nachdem sie ein paarmal tief durchgeatmet hat, konzentriert sie sich auf die Papiere vor sich, die sie zu ordentlichen Stapeln aufhäuft. Das beruhigt sie so weit, dass sie die blutigen Tatortfotos beinahe unbewegt betrachten kann, als Sevillas sie ihr herüberreicht.
Sie nimmt eins nach dem anderen genau unter die Lupe. Erst bei der Aufnahme von Max’ blutigem T-Shirt und dem Inhalt ihrer Handtasche zuckt sie zusammen. Irgendetwas nagt an ihr. Plötzlich reißt sie die Augen weit auf. Schnell durchblättert sie die Fotos noch einmal. „Er ist nicht da“, wispert sie. „Oh, mein Gott, er ist nicht da.“
„Was ist nicht da?“, fragt Doaks.
Sevillas umrundet den Konferenztisch. „Was ist los?“
Sie drückt ihm die Fotos in die Hand. „Der Kamm.“
Sevillas überfliegt die Bilder, wobei diesmal Doaks über seine Schulter schaut. „Da will ich doch verdammt sein.“
„Heilige Scheiße“, zischt Doaks. „Die sollten mindestens eine Million Fotos von dem Kamm gemacht haben, bevor jemand ihn als Beweismittel markiert und eingetütet hat – und lange bevor sie ihn aufs Polizeirevier gebracht haben.“
Sevillas schüttelt den Kopf. „Das ist ein Zufall. Es hätte niemandem entgangen sein können. Wahrscheinlich haben wir nicht alle Fotos.“
„Yeah“, stimmt Doaks zu. „Der Fotograf muss ein kompletter Volltrottel sein, oder irgend so ein Penner im Büro des Bezirksstaatsanwalts hat vergessen, die Fotos in den Stapel zu tun, ehe sie rausgeschickt wurden.“
„Was, wenn es kein Fehler ist?“, fragt Danielle.
Doaks gluckst. „Das würde bedeuten, dass wir es verdammt viel leichter hätten, eine Verteidigung aufzubauen. Es würde bedeuten, dass einer von Barnes’ Jungs so richtig große Scheiße gebaut hat.“
Sevillas gibt ihr die Fotos zurück. „Schraub deine Hoffnungen nicht zu hoch, Danielle. Sie haben den Kamm. Selbst wenn sie vergessen haben, ihn zu fotografieren, werden die Cops bezeugen, ihn beim Überprüfen deiner Handtasche gefunden zu haben. Wahrscheinlich hat jemand ihn ganz früh eingetütet und dann in die Asservatenkammer geschickt.“
„Ich denke, ich fahre später mal zum Polizeirevier von Plano rüber, nur um ganz sicher zu gehen“, sagt Doaks. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, was in dem Laden manchmal für ein Mist passiert.“
„Gut, das kann nicht schaden.“ Sevillas’ Telefon klingelt. Nach ein paar leisen Worten schaut er Danielle an und legt dann auf.
„Tony, was ist los?“
„Ein Justizangestellter hat gerade angerufen“, antwortet er. „Der Richter hat unseren Antrag abgelehnt. Du darfst Max nicht sehen.“
Ihr Herz verkrampft sich. „Für wie lange?“
„Bis nach der Anhörung.“
Danielle wendet sich ab, als Tränen über ihre Wangen strömen. Sevillas gibt Doaks ein schnelles Zeichen. „Lass uns weitermachen.“
Doaks holt seinen Notizblock hervor. „Okay. Wir haben Maitlands Computeraufzeichnungen über Danielles Kommen und Gehen, einschließlich des Mordtags. Wir haben Max’ Stationsprotokolle – schauen wir mal nach, wie die aussehen.“ Er kramt herum und rattert schließlich Eintragungen herunter wie ein Schuldirektor beim Anwesenheitsappell. „ Patient zunehmend erregt und halluzinatorisch …
Patient um zwei Uhr nachts gewalttätig/musste fixiert werden … “
Danielle holt tief Luft und wendet sich ihm zu. „Wer hat diese Notizen gemacht?“
Doaks schielt auf den unteren Rand der Seite. „Irgendeine Schwester – Krang?“
„Kreng.“ Sie wendet sich an Sevillas. „Ich kann das erklären.“
Sevillas hebt eine Hand. „Dazu kommen wir später.“
Die nächsten paar Stunden verbringen sie damit, den Inhalt der schwarzen Kiste durchzugehen. Danielle beißt die Zähne zusammen, als Doaks weitere Eintragungen von Reyes-Moreno zu Max’ psychotischem Verhalten vorliest. Sie beschreiben einen Max, den sie nicht kennt. Der Bezirksstaatsanwalt muss einen wahren Freudentanz in Maitland aufgeführt haben.
Sie stutzt, als sie eine Serie von Aufzeichnungen entdeckt, die verschiedene gewalttätige Vorfälle zwischen Max und Jonas beschreiben. Von den Eintragungen her ist es nicht möglich, festzustellen, von wem die Aggression ausging, auch wenn implizit angedeutet wird, dass es Max war und Jonas sich verteidigen musste.
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