Mutterliebst (German Edition)
Aussehen, das farbecht und langlebig ist. Nach Maß gefertigte Venen und Sommersprossen werden auf das Wachs aufgetragen. Nur Sie werden wissen, dass es nicht echt ist.
„Wie recht ihr habt“, murmelt Danielle. Sie lächelt, als sie sich an den fragenden Blick der Verkäuferin in dem Laden erinnert, nachdem sie ihr gesagt hat, dass sie nur die prothetische Hülle kaufen will, nicht die Prothese an sich. Sie schiebt den Karton zurück unter das Bett, zieht Hose und Schuhe an und geht zu der kleinen Abstellkammer im Eingangsbereich. Dort befinden sich ihr gepackter Koffer, Handtasche, Laptop, Papiere, Handy und ihr frisch ausgedrucktes Flugticket.
Wenn es optimal läuft, findet sie vielleicht genau das, was sie braucht, um berechtigte Zweifel in den Köpfen der Geschworenen zu säen: dass Jonas sich bereits zuvor Verletzungen zugefügt hat und selbstmordgefährdet war, bevor er nach Maitland kam. Außerdem kann sie herausfinden, warum Dr. Jojanovich Jonas überhaupt nach Maitland überwiesen hat – und warum Marianne Dr. Jojanovich in Chicago ausgewählt hat, wo sie doch selbst in Pennsylvania lebt. Vielleicht kennt er noch andere Psychiater, die ihre Theorie stützen. Im schlechtesten Fall ist sie heute Abend wieder zurück, rechtzeitig zur Anhörung am morgigen Tag und ohne schlauer geworden zu sein. Ihr Handy sagt schließlich nichts über ihren Aufenthaltsort aus, sollten Sevillas oder Doaks versuchen, sie anzurufen, und falls sie sie sehen wollen, kann sie immer noch vorgeben, krank zu sein. Rasch ruft sie Georgia an und bittet sie inständig, noch am selben Abend von New York hierherzufliegen. Georgia will wissen, warum sie kommen soll und was so dringend ist, doch Danielle weicht ihr aus, indem sie behauptet, das jetzt nicht erklären zu können und dass Georgia ihr einfach vertrauen müsse. Offensichtlich ist die Verzweiflung in Danielles Stimme überzeugend, denn Georgia stimmt zu, den nächsten Flug zu nehmen.
Sie löst die Schlüssel zu ihrem Apartment vom Bund, öffnet die Tür und verstaut sie unter der Türmatte. Georgia wird heute Nacht hier schlafen. Danielle ist von unglaublicher Erleichterung erfüllt. Sie könnte Max nie verlassen – nicht mal für eine Nacht –, ohne zu wissen, dass jemand, der ihn genauso sehr liebt wie sie selbst, für ihn da ist.
Ehe sie es sich anders überlegen kann, lässt sie ihren Blick noch einmal durch das Apartment schweifen. Dann fällt die Tür hinter ihr mit einem unheilvollen Knall ins Schloss.
23. KAPITEL
Danielle wandert unruhig hin und her, während die Morgensonne auf den dicken Teppich ihres Hotelzimmers in Chicago fällt. Sie bleibt am Fenster stehen und denkt an das letzte Mal, dass sie hier war. Vor zwei Jahren hat ein aufregender Fall von Firmenveruntreuung sie in genau dieses Hotel geführt. Das „Whitehall“ erinnert sie an das, was sie einmal gewesen war, an das intellektuelle Kräftemessen am Tag und die langen Dinner in schicken Restaurants mit Mandanten am Abend. Das „Whitehall“ verfügt über den luxuriösen Charme der Alten Welt, der den meisten amerikanischen Hotels völlig fremd ist. Da ist die handschriftliche Begrüßung auf dem Kissen ihres frisch aufgeschlagenen Betts, der flauschige weiße Morgenmantel, der im Badezimmer hängt, das Glas mit ihrem Lieblingscognac direkt auf dem Nachttisch, denn daran erinnert sich das Hotel von ihrem letzten Besuch her. Es liegt etwas abseits von der Michigan Avenue, und es erzählt ihr von vergangenen Zeiten und von Zeiten, die vielleicht nie wiederkommen.
Sie widersteht dem dringenden Impuls, Tonys hektische Anrufe zu erwidern. Natürlich wird er an die Decke gehen, wenn er erfährt, dass sie gegen die Auflagen ihrer vorläufigen Entlassung verstoßen hat – wieder einmal. Hoffentlich hat sie wenigstens das Glück, rechtzeitig heute Abend zurück in Plano zu sein und zumindest eine Information mitzubringen, die ihre Anhörung davor bewahrt, zu einem absoluten Desaster zu werden. Sie ist eine verzweifelte Frau, die nach dem letzten Strohhalm greift. Sie kann es sich nicht leisten, diesen Stein nicht umzudrehen.
Spät am gestrigen Abend, als sie sich sicher war, dass Sevillas bereits schlafen würde, hat sie eine Nachricht auf seinem Handy hinterlassen, dass Georgia da sei und er sie auf Max’ Besuchsliste als Co-Anwältin der Verteidigung setzen solle. Außerdem hat sie ihm die Anweisung erteilt, Georgia so oft zu Max zu lassen wie sie wolle und wann immer Max sie brauche. Danielle zuckt
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