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Muttersohn

Muttersohn

Titel: Muttersohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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trägt mich, ich bin viel mehr, als ich bin, durch diese Stimme, oh Liberty, thou choicest treasure, source of pleasure, worth caressing, eine mich auflösende, wegschmelzende Süße, Elsa, mit Händel, und ich weiß, dass ich Elsa um Asyl bitten muss. Dass ich nirgends sein kann als bei ihr. Außer ihr nichts. Sicherer als dieses Gefühl kann nichts sein. Come, ever-smiling Liberty.
     
    Würde es dir Spaß machen, mir im Bett Befehle zu geben? Unterwerfungsgesten fordern. Es ist klar: Er ist nicht der, der das von sich aus tut. Und wenn er es nur tut, weil sie es will? Besser, er fragt zurück: Hat das der Schriftsteller praktiziert?
    Sie will eine solche Frage nicht beantworten. Das ist eine klare Antwort.
    Eine Fangfrage bringt es an den Tag: Sie weiß die Nummer des Schriftstellers auswendig.
     
    In drei, spätestens in vier Stunden bist du wieder da, sind wir wieder zusammen, jetzt dieses unbegreifliche Gefühl der Verlassenheit. Bloß weil du bei deinen Buben bist. Erklär mir heute Abend mein dummes Verlassenheitsgefühl, Lieber. So schwach, wie ich jetzt bin, werde ich nicht bleiben. Das kann ich versprechen. Ich werde mich gleich mit Händel betäuben. Händel, die schönste Betäubung der Welt. Und hoffen muss ich, dass auf dem Grund meiner Abhängigkeit eine Feindseligkeit bereitliegt, die ich, wenn ich ganz drunten angekommen sein werde, gegen dich mobilisieren kann. So wie ich jetzt bin, darf ich nicht sein. Also, keine Angst, das geht vorbei. Vorbei. Vorbei. Lieber.
    Wie das, was sie sagt, mit dem Ton übereinstimmt, in dem sie es sagt.
     
    Hast du ein Unterhemd an? Und lachte schon, weil sie wusste, dass er eins anhatte. Das war ein Urteil. Du gehörst nicht dazu. Die, die für sie in Frage kamen, hatten kein Unterhemd an. Die haben unter dem drei Knöpfe weit offenen Hemd nichts an. Die zeigen eine blanke, möglichst behaarte Brust.
    Er nahm sich vor, irgendwie herauszubringen, ob der Schriftsteller ein Unterhemd anhabe. Sie möchte sich gern einmal am Morgen von ihm vernaschen lassen. Das sind ihre Sätze.
    Vor sieben Jahren am ersten Abend hat der Schriftsteller mit ihr die h-Moll-Messe gehört. Beide auf dem Sofa eng neben einander, die Partitur auf den Knien, er zeigt, was gerade läuft. Aber ein Arm um ihre Schulter. Der Schriftsteller bestand noch am selben Abend darauf, es mit ihr vor einem Spiegel zu tun. Er nannte das Reflexionssex. Sie hat sich, als sie auf mich gewartet hat, selber behandelt. Auf dem Balkon. Die Sonne hat da hingeschienen. Du glaubst, wenn du weg bist, vergnüge ich mich wieder mit dem Schriftsteller.
    Er hätte fragen sollen, warum sie, wenn sie diese Eventualität formuliert, das Vergnügen nennt.
    Silvi ließ ihn hören, was ihr der Schriftsteller aufs Band gesprochen hatte. Ein Stück aus dem neuen Roman. Seit er Silvi kennt, schreibt er nicht mehr über Autos. Ein Neunundfünfzigjähriger mit einer Sechsundzwanzigjährigen. Die betreiben das dann auf der Motorhaube ihres Autos. Bei Regen. Er konnte das nicht weiter hören. Sonst war es ihm immer recht gewesen, wie alle zu sein. Da nicht.
     
    Ich kann kein Hemd mehr kaufen für mich. Wenn ich ein Hemd kaufte, bin ich immer in fünf Läden gewesen, habe alle halbwegs in Frage kommenden Hemden angestarrt und überprüft, was Elsa zu diesem Hemd sagen würde. Ich konnte bis jetzt nur kaufen, um Elsa zu gefallen. Ist das noch so?
     
    Der Schriftsteller kam gestern doch mit seiner Zunge zwischen ihre Lippen. Wenn auch nur kurz und nur zweimal.
     
    Wenn sie telefoniert haben, muss er sie noch einmal anrufen. Er hätte nichts mehr zu sagen. Er weiß nicht, warum er sie noch einmal anrufen muss. Aber er muss. Also ruft er, kaum dass aufgelegt ist, sofort wieder an. Und immer, tatsächlich jedes Mal, ist bei ihr schon besetzt. Das wirft einen Schatten auf das Gespräch, das sie hatten. Sie hat auf Beendigung hin dirigiert. Das ist ihm nicht aufgefallen. Jetzt zeigen alle ihre Sätze der letzten zehn Minuten diese Beendigungstendenz. Wahrscheinlich telefoniert sie jetzt schon mit ihrem Schriftsteller.
     
    Auf einmal diese Gefühlsdeutlichkeit: Zu den Braven gehörst du nicht mehr.
     
    Elsa muss immer etwas loben. Wenn sie gerade nichts zu loben hat, lobt sie ihre Schuhe. Ich kann froh sein, sagte sie heute, als sie von ihren Proben zurückkam, dass ich diese Schuhe gefunden habe. Also, dass man solche Schuhe findet, das ist doch toll.
     
    Habernuss, der Schriftsteller, taucht einfach auf. Und sie meldet: Ich sehe ihn und

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