Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)
können sich doch auch noch an meinen Mann erinnern, oder?«, führte Muddi das Gespräch noch einmal eine Drehung weiter.
»Natürlich, Frau Windmann!«, sagte Frau Meier, und fügte pflichtschuldigst hinzu: »Der war ja ein ganz Netter!«
»Ja …«, meinte Muddi mit wehmütigem Blick, »Gott, ja! … Und meine Mutter haben Sie doch auch gekannt?«
Dass die Verkäuferin so ruhig blieb, wunderte mich inzwischen.
»Selbstverständlich, Frau Windmann!«, antwortete sie lächelnd. »Wie könnte ich sie vergessen haben! Sie und Ihre Mutter waren ja immer so auffallend gut gekleidet. Und Ihre Mutter hatte stets einen Scherz auf den Lippen.«
»Ach Gott, das ist ja schon so lange her … und ich vermisse meine Mutter immer noch jeden Tag.«
Beinahe bekam sogar ich Mitleid mit meiner Mutter.
»Ja, wem sagen Sie das?«, sagte Frau Meier. »Ich habe meine Mutter vor zwei Jahren verloren. Und fast jeden Tag frage ich sie in Gedanken nach ihrer Meinung zu diesem oder jenem … so ist das nun einmal.«
»Ja, Frau … ehm …?«
»Meier, Frau Windmann.«
Muddi schüttelte den Kopf, was das Bedauern über ihre Schusseligkeit unterstreichen sollte. »Gott, ist mir das unangenehm«, sagte sie. »Da hab ich doch Ihren Namen schon wieder vergessen!«
Milde lächelte die Angesprochene. »Das macht doch nichts, Frau Windmann. Welchen Käse möchten Sie denn kaufen? Wie immer den Appenzeller und den Greyerzer?«
»Ach, dass Sie das wissen!«
»Natürlich, Frau Windmann, immerhin kennen wir uns doch schon so lange …«
Langsam hatte ich das Gefühl in einer Endlos-Wiederholung gefangen zu sein.
»Ja, da sagen Sie was«, sagte Muddi. »Gott, ist das alles schon lange her. Und wissen Sie denn auch noch, wie klein meine Tochter war, als wir in den ersten Jahren zum Kaufmarkt kamen?« Sie deutete mit einem Kopfnicken und einem Blick auf mich an, wie sehr ich mich seitdem verändert hatte.
Frau Meier lächelte mir zu und wandte sich dann wieder an ihre Kundin. »Ja, aber selbstverständlich weiß ich das noch«, sagte sie, »sie war ja immer so niedlich mit ihren Pippi-Langstrumpf-Zöpfchen!«
Ach, du meine Güte, dachte ich, wo soll das noch hinführen? Ich beschloss, mich in das Gespräch einzuschalten, denn ich befürchtete, meine Mutter würde sonst gleich noch behaupten, sie hätte vergessen, wozu sie überhaupt an die Käsetheke gekommen sei.
»Na dann«, sagte ich, »den Appenzeller und den Greyerzer, bitte!«
»Als ob ich das vergessen würde«, kam prompt die Schelte meiner Mutter. »Du glaubst wohl, ich werde senil!«
Der Käse hatte im Auto auf dem Heimweg unvergesslich seinen Duft verströmt. Während der Fahrt kam ich schließlich darauf, dass das Einzige, was ich Muddi hundertprozentig abnahm, die Unfähigkeit ist, sich die Namen dreier Pflanzen zu merken: Rhododendron, Hortensie und Amaryllis. Das waren nämlich exakt die drei botanischen Begriffe, die auch ich mir immer nicht merken konnte. Das musste an den Genen liegen.
12
»Ich bin Lorenzos Verlobte!«
D iese Angelina Jolie giert doch nur nach Aufmerksamkeit«, sagt Muddi mit einem Blick in die neue Gala . »Die hat doch nur so viele Kinder, damit sie immer im Mittelpunkt steht.«
Ich stutze und überlege, ob ich etwas dazu sagen soll. Insgeheim bewundere ich die Schauspielerin für ihr soziales Engagement, ihre Schönheit und ihren zahlreichen Nachwuchs.
Muddis Abscheu kommt mir außerdem ein wenig übertrieben vor. Erstens stehlen einem Kinder ja meist die Show, und zweitens sollte ihr der Wunsch, im Mittelpunkt stehen zu wollen, nicht wirklich fremd sein.
In letzter Zeit wird das besonders deutlich, weil meine Mutter seit einiger Zeit einen jungen italienischen Verehrer hat. Na ja, er ist erst sechs Jahre alt, aber mit seinem südländischen Temperament ist er auf dem besten Weg zum Latin Lover. Und er wird nicht müde, die Vorzüge meiner Mutter der Öffentlichkeit vorzustellen.
Das Ganze hat begonnen, als Muddi das Grafenhaus an die italienische Familie vermietet hat, deren Brief wir vor Kurzem erhalten haben. Und so wohnen seit einigen Wochen Mama, Papa und deren sechsjähriger Sohn Lorenzo in direkter Nachbarschaft zu meiner Mutter im exquisiten Fertighäuschen aus den Fünfzigern.
Eigentlich ist Lorenzos Mama keine Italienerin, denn sie kommt aus Stade. Aber sein Papa ist Italiener. Und Lorenzo ist ein absolutes Ebenbild seines Vaters und ahmt dessen Mimik und Gestik bis ins Kleinste nach. Das wiederum entzückt meine Mutter stets aufs
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