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Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Titel: Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Windmann
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ist es Punkt zwei Uhr in der Nacht. Aus den Augenwinkeln luge ich zu meiner Mutter hinüber, die noch immer hellwach ist. Mühsam raffe ich mich auf und setze mich zu ihr, um zu sehen, was sie tut. Und ich bin überrascht!
    Muddi hantiert inzwischen überraschend professionell mit unserem iPad! Sie zoomt und schwingt sich von Webcam zu Webcam durch die ganze Welt, von Minnesota nach Tokio und von dort aus immer weiter, als hätte sie nie etwas anderes getan.
    Ein Platz zu Füßen des Montmartre entlockt ihr den Kommentar: »Mann, da ist ja jetzt gar nix mehr los! Paris hätte ich mir aber aufregender vorgestellt.« Und die Welpenstation eines Tierheims in Düsseldorf findet sie »Gott, wie niedlich!«.
    Muddi redet inzwischen nur noch mit sich selbst. Ich höre sie zwar, kann aber nicht mehr antworten, weil ich einfach zu müde bin. Das stört sie nicht. Aus Aufnahmen von der Universität Boston schließt sie, dass es dort »wahnsinnig kalt« sein muss, weil sämtliche Studenten vor dem Gebäude Handschuhe und Wollmützen tragen.
    Immer irritierter beobachte ich, wie Muddi gekonnt von den Webcam-Impressionen zu Google Street View wechselt.
    »Huch, nee! Da muss ich aber schnell zurück!«, ruft sie, und – schwupp – ist sie wieder in der Bourbon Street von New Orleans! Geschickt zieht sie mit zwei Fingern das Bild auf eine Größe, in der alles gut erkennbar ist, und klickt weiter zur nächsten Kamera.
    Mein Bild von Muddi ist in den letzten Stunden komplett auf den Kopf gestellt worden. Ich bemerke an ihrem leisen Lachen, dass sie unglaublich stolz darauf ist, dass sie dieses Mordsgerät ganz allein bedienen kann.
    Schließlich komme ich zu dem Schluss, dass meine Mutter seit Monaten heimlich einen VHS -Kurs für Senioren besuchen muss. In meinem müden Kopf stelle ich mir vor, dass sie in dem Kurs zwar auch in die Geheimnisse modernen technischen Equipments wie Handy, Notebook oder iPad eingeweiht wird. Der Fokus des Seminars liegt jedoch darauf, zu trainieren, wie man den charakteristischen Muddi-Unschulds-Dackelblick aufsetzt. Gewiss müssen die Senioren in Gruppenarbeit üben, wie man gleichzeitig auf den Boden sieht, seufzt und allen Umstehenden Unwissenheit und Hilflosigkeit vorspielt. Denn wie sonst ist es zu erklären, dass Muddi glaubhaft vorspielen kann, sie könne nicht einmal eine Glühbirne allein einschrauben?
    In Gedanken sehe ich sie in ihrem Kurs – um sie herum der Kreis der übrigen grauhaarigen Teilnehmer. Wie ein Mantra wiederholt sie gemeinsam mit den anderen im Chor: »Ich kann nicht mal eine Nadel am Plattenspieler austauschen!«
    Und dann hebt die Dozentin des Seminars den mahnenden Zeigefinger. »Auch wenn du an deinem Fernseher mithilfe des Hauptmenüs, der sekundären Fenster und des Scrollbuttons selbstständig das Bildformat ändern kannst – wenn irgendetwas nicht mehr funktioniert, vergiss nie: Das waren die Leute von Elektro-Karl!«



18
»Nun seht doch mal, wie schlau er guckt!«
    G estern habe ich die Reste von Muddis Streuselkuchen vom Teppich geleckt. Gott, die waren vielleicht himmlisch! Schon leicht angetrocknet, aber noch immer unsagbar deliziös, mit köstlichem Vanillearoma … Gut, die grünen Fusseln des hochflorigen Bodenschoners haben meine Geschmacksknospen ein wenig irritiert, als sie auf meiner Zunge kitzelten; und einige blieben auch zwischen den Zähnen hängen. Aber ich seh das nicht so verbissen. Wer weiß, wann sich wieder mal eine Gelegenheit bietet, solch ein Leckerli ins Maul zu bekommen. Immer nur Pansen, Rinderhaut und Huhn mit Reis machen schließlich auf Dauer depressiv. Oder sehen Sie das anders?
    Bevor Sie sich nun fragen, ob Laura plötzlich einen Schaden hat, muss ich kurz etwas klarstellen: Hier schreibt nicht Laura, sondern Krümel. Sie erinnern sich an mich? Gut. Ich möchte Ihnen erzählen, wie es mir als Hund mit Muddi ergeht. Damit kann ich sicher einiges richtigstellen, denn ich finde die alte Dame ganz großartig.
    »Gott, Laura! Sieh doch mal, wie er jetzt guckt! Was denkt er jetzt nur?«, sagt Muddi gerade, als ich mal wieder vor dem Esszimmertisch sitze und lauere.
    Ich horche auf und versuche, von unten schräg durch die Glasscheibe des Tisches zu sehen. Nur zu schade, dass der Möbelhersteller Milchglas verwendet hat. Da ist kein Durchblick möglich. Doch meine Nase sagt mir, dass Frauchen und Herrchen gerade zu Mittag essen. Und da Muddi zu Besuch ist, gibt es heute etwas besonders Köstliches. Mir macht keiner so leicht was

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