Mutti packt aus
Aufstiegschancen« verschmähten, fürchte ich, dass sie schon bald im Berufsinformationszentrum der Bundesregierung nachsitzen müssen.
»Was willst du denn mal werden?«, fragen Omas und Opas noch immer und das frage ich mich jetzt auch: Was will ich eigentlich mal werden, wenn aus den Kindern nichts Vernünftiges wird? Meine Aussichten sind nicht allzu schlecht: Wenn ich einmal alt bin, könnte ich täglich auf einem riesigen Müllwagen durch die Straßen gefahren werden – natürlich dürfte ich außen auf dem Trittbrett stehen, die Nase in den Wind halten und so huldvoll winken wie die Queen. Sollte ich mal irgendwohin fliegen wollen, nähme ich die Lufthansa. Denn dort kriegte ich 95 Prozent Rabatt. In der ersten Klasse! Richtig viel essen könnte ich so oft ich will, und zwar im Trilli-Billi-Sterne-Restaurant, dessen Küchenchef ich zu meiner engsten Verwandtschaft zählen darf. Und wenn mal jemand gemein zu mir wäre, kämpfte eine preisgekrönte Juristin für meine Rechte.
Als Mutter eines fröhlichen Müllmannes, einer großzügigen Pilotin, eines mildtätigen Sterne-Kochs und einer ambitionierten Weltverbessererin muss ich mich eigentlich vor gar nichts fürchten. Schon gar nicht vor der Zukunft und dem üblichen Schicksal vierfacher Mütter etwa – Altersheim und kein Verwandtenbesuch am Sonntagnachmittag. Nein, meine Juristin würde ja zehn Kinder haben, weswegen ich auch bei ihr wohnen könnte. Manchmal müsste sie nämlich weg und auf den Laufstegen der Welt Heidi Klum & Konsorten das Fürchten lehren. Model wird sie jedenfalls auch, sagt sie. In jedem Fall wäre ich wohl prächtig unterhalten.
Kindergeburtstag …
»Du, Mama, was machen wir zu meinem Geburtstag?«, erschreckt mich eine helle Stimme in Hüfthöhe. »Hm, feiern vielleicht, mein Schatz?«, versuche ich Zeit zu schinden. »Ja, aber wie denn??«, kommt es mit unüberhörbarem Tremolo zurück. Ja, das ist eine gute Frage. Wenn nicht gar die Mutter aller Fragen. Das was denn?? ist doch geschenkt. Und weil ich die Mutter bin, brauche ich Antworten, und zwar die richtigen. Meine können aber leider vor dem kritischen Geist des Jubilars allesamt nicht bestehen: Topfschlagen war gestern. Minigolf ist öde und hatten wir außerdem im letzten Jahr. Zusammen schwimmen gehen – total langweilig. Ein Picknick im Park mit großem Fußballturnier? »Oooch nööö, da gibt’s ja noch nicht einmal eine Tribüne«, mault mein Prinz. »Kannst du nicht wenigstens das Olympiastadion mieten?« Ja, warum eigentlich nicht? Andere Eltern lassen sich schließlich auch nicht lumpen. 21 Schuss sah die Salutordnung für deutsche Kriegsschiffe zur Zeit Kaiser Wilhelms für den Geburtstag königlicher Prinzen und Prinzessinnen vor. Damit waren Kaisers fein raus: bisschen ballern, kleines Bankettchen und fertig war die Superfete. Und heute? Bei Simons Geburtstag gehen sie zum Magic Mountain und klettern den ganzen Tag im Hochseilgarten! Leonie bittet ihre aktuell fünfzehn besten Freundinnen zur Pool-Party mit Geburtstags torte, Kinderschminke und Tischfeuerwerk ins Tropical Island! Und Mustafa hat die ganze Klasse zu einer wilden Burger-Session eingeladen! Torben-Hendricks Mama hat das Naturkundemuseum gebucht und sie haben zuerst echte Dinoknochen ausgegraben, dann ein kolossales Abendessen verzehrt, mit Schlafsack und Iso-Matte im Museum übernachtet und morgens gab es ein leckeres Steinzeitfrühstück. Danach sind sie auf einem Mammut nach Hause geritten!
Mir ist ganz schmaläugig zumute geworden. Jetzt beiläufig anzumerken, dass das Gute nie so selbstverständlich ist, wie seine Nutznießer annehmen, hätte keinen Sinn. Gegen ins Kraut geschossene materielle Erwartungen der Kinder kann man sich nicht wehren, indem man ihnen alles an den Hals wünscht, worunter andere Generationen noch gelitten haben: Hunger, Kälte, Armseligkeit. Ihr wisst ja gar nicht, wie gut ihr’s habt!
Wie konnte ich nur glauben, mit einem überschaubaren Aufwand von Kuchenbacken, Spiele spielen und heißen Würstchen davonzukommen? »Weil das bei Jana, Timmi, Louise und überhaupt allen anderen auch immer so ist«, greint das Geburtstagskind. Und da ist nach oben ja noch viel Luft. Wozu eine popelige Piratenparty veranstalten, wenn man einen Wochenendtrip organisieren kann, bei dem die Jungs sich am Wracktauchen in der Ostsee versuchen?
Gut, Leute. Einen Haufen Kinder mit einem Haufen Luftballons unter einer Bonbonkette aufeinander loszulassen, ergibt noch keine Party.
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