My Story - Streng geheim - Aller guten Jungs sind drei
verschwand im Wald, und als ich wieder rauskam, lag Emir noch genau so im Gras wie zuvor. Ich hatte also gute Chancen, hochzukommen und mich wieder von der Sonne küssen zu lassen.
Dachte ich.
Als mein linkes Bein auf der dritten Sprosse stand, wurde mein rechtes mit eisernem Griff festgehalten. »Sag mir, was los ist, Zippi.«
»Ich will nur meine Ruhe, kapiert?« Sosehr ich auch zerrte - ich bekam mein rechtes Bein nicht frei.
»Warum sind deine Augen rot und zugeschwollen? Ich will dir helfen. Aber wie kann ich das, wenn du nichts sagst?«
»Ich will keine Hilfe, verdammt noch mal! Das ist allein meine Angelegenheit!«
»Aber â¦Â«
»Nix aber. Du musst dir das Schwindelgefühl ja auch selbst abtrainieren, vergiss das nicht!«
»Stimmt. Aber es hat geholfen, dass ihr mir zugeschaut und die Daumen gedrückt habt.«
»So? Dann schau mir doch zu, wie ich oben in der Sonne sitze! Kannst ja zusätzlich noch die Daumen drücken, Emir.«
»Mach ich. Aber wie wärâs, wenn â¦Â«
»Wenn?«
»Wenn ich nach oben käme?«
»Auf den Hochsitz?«, fragte ich verblüfft. »Würdest du das versuchen?«
»Ich würde alles versuchen, um dir zu helfen, Zippi.«
»Mensch, Emir!« Tatsächlich umschloss Emir die Leiter seitlich
mit festem Griff, er erklomm eine Sprosse, die zweite, dann die dritte, die vierte, schob sich von der vierzehnten direkt auf die kleine Plattform - und blieb dort mit ausgebreiteten Armen liegen.
Natürlich war ich ihm sicherheitshalber gefolgt, und wie er so lag und sich nicht zu rühren getraute, tat er mir sehr, sehr leid.
Ich fasste ihn an der Schulter. »Emir, setz dich doch aufs Bänkchen!« Seine Gesichtsfarbe bewegte sich zwischen schneeweià und sandgraubraun; ungesund sah sie aus und machte mir Angst. Als ich ihm aufzustehen half, hielt er die Augen geschlossen und schwankte leicht. »Emir!«, schrie ich alarmiert. »Setz dich!« Er öffnete ein ganz klein wenig die Augen; der Spalt war allerhöchstens einen halben Millimeter weit, aber das reichte, um die Gesichtsfarbe noch ungesünder erscheinen zu lassen.
»Mensch, Zippi, ist das hoch«, stöhnte er. Da kapierte ich, dass er zwar jede Menge Mut besaÃ, aber das allein reicht nicht. Offensichtlich brauchtâs auch Zeit, um die Angst vor der Höhe zu überwinden, und die hatte sich Emir nicht gelassen. Und das, nur um mir zu helfen!
»Komm runter«, drängte ich.
»Ich kann nicht«, klagte er.
»Klar kannst du das, du schaffst das. Mach einfach die Augen zu und tu, was ich dir sage.«
»Du willst, dass ich tu, was du sagst? Aha. Was ist mit deinem Dickkopf? Tust du etwa, was ich sage?«
»Alles, wenn du nur runterkommst«, versicherte ich rasch, ohne groà darüber nachzudenken, was ich sagte.
»Einverstanden.« Mit zusammengekniffenen Lippen, geschlossenen Augen und inzwischen grünem Gesicht schaffte er es bis ins Gras unterm Hochsitz. Dort setzte er sich. Sein Herz klopfte so stark, dass ichâs durch das T-Shirt sehen konnte.
»Jetzt weià ich wenigstens, was âºkalter Angstschweià auf der Stirnâ¹ bedeutet«, war das Erste, was er sagte.
Ich wartete geduldig, bis er wieder wie der gewohnte Emir aussah.
»So«, sagte er schlieÃlich, »jetzt bist du an der Reihe. Warum hast du geweint?«
Kneifen ging jetzt natürlich nicht mehr. »Weil Nele behauptet, meine Mutter hätte von meinem Pa und mir die Nase voll gehabt. Das hat mich umgehauen. Verstehst du? Ich musste einfach weg, ich konnte sie nicht mehr ertragen. Mir gingâs wie dir eben. Du konntest die Höhe nicht aushalten, ich konnte Nele nicht aushalten. Punkt.«
»Kapiert. Und jetzt?«
»Was meinst du?«
»Du kannst schlieÃlich nicht wie ich vom Hochsitz klettern und dich im Gras erholen. Was wirst du tun?«
Das gab mir zu denken. Klar, Nele war auf der Alpe, Nele war tagsüber mit uns zusammen, Nele würde mich weiter ausquetschen. Ich konnte ihr nicht entkommen.
»Ich will ja nichts gegen deine Freundin sagen, schlieÃlich liebst du sie«, meinte ich. »Aber Nele nervt.«
»Dann sag ihr das. Sag ihr, sie soll dein Mutter-Thema nie mehr anschneiden.«
»Kannst du das nicht für mich übernehmen?«, flehte ich. »Emir, du warst mal mein Freund. Mein allerbester Freund sogar. Ich bitte dich um diesen
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