My Story - Streng geheim - Aller guten Jungs sind drei
aber blieb ich neben ihr auf der Bank in der Sonne sitzen, was ein Fehler und auch der letzte Tropfen war, der das Fass zum Ãberlaufen brachte - oder, um bei meinem Schicksal zu bleiben, den dieser Tag noch brauchte, um zu einem voll bescheuerten zu werden.
Das kam so:
Der Postbote, Anton heiÃt er, ist ein netter älterer Mann, der sich nach der schwierigen, weil kurvenreichen Fahrt zu uns herauf immer ein bisschen stärkt und uns im Gegenzug mit Neuigkeiten aus dem Tal versorgt. Das ist ein faires Geben und Nehmen, finden wir, und setzen uns gerne zu ihm, wenn er sich seine WeiÃwürstl mit süÃem Senf schmecken lässt.
Rosi, Gundi, Yasmina, Nele und ich setzten uns zu ihm. Er berichtete uns all die Geschichten von den vollgelaufenen Kellern und ähnlichen Schrecklichkeiten, die der Hagelsturm angerichtet hatte, und zählte auf, dabei nahm er seine Finger zu Hilfe, wie oft und wohin überall die Feuerwehr hatte ausrücken müssen, um umgestürzte Bäume von den StraÃen und Wegen zu beseitigen. SchlieÃlich zog er die Post aus seiner schwarzen Tasche und reichte mir einen dicken hellbraunen
Umschlag in DIN-A5-Format sowie einen weiÃen in normaler GröÃe.
Niemand beachtete den weiÃen, aber Gundi tippte mit spitzem Zeigefinger auf den braunen, Yasmina kniff ein Auge zu, und Rosi lachte so richtig spöttisch und meinte: »Noch ein Lover? Die Liebesbriefe würde ich aber in der Kammer lesen.«
Nele setzte sich kerzengerade auf. »Liebesbriefe? Sind die von dem Jungen, der hofft, du würdest dich in ihn verlieben?«
Ich nickte.
»Zeigst du sie mir? Bitte!« Sie hatte wieder diese groÃen blauen Kulleraugen, denen man so schlecht widerstehen kann. Ich öffnete den Umschlag. Zehn Seiten. Das bedeutete zehn Gedichte. Wie immer überflog ich nur die ersten Zeilen.
»Die Zeit meiner Verbannung neigt sich dem Ende zu
Einer Zeit voller Sehnsucht und ohne Ruh
Nach dir â¦
Und:
Mich narrt die Zeit!
Zippi, du bist so weit
Auf den Bergen
Bei deinen Werken â¦
Und:
Ich fliege zu dir!
Nichts hält mich hier!
Muss enden die Pein
So allein zu sein â¦
Du lieber Himmel, diesmal hatte sich Cas aber was einfallen lassen! Rasch faltete ich die Blätter zusammen, um sie in den Umschlag zu stecken - aber Nele war schneller. Sie schnappte sie sich. »Darf ich? Ich darf doch, nicht wahr, Zippi?«
Blitzschnell war Nele aufgesprungen und ein, zwei Schritte beiseitegegangen - und das mit ihrem noch immer fast kaputten Bein!
Ich sprang ebenfalls auf, stieà an den Tisch, das Senfglas kam ins Rutschen und landete auf Antons Briefträgerhose. »Sapperlot noch mal«, fluchte er. Anstatt Nele die Blätter aus der Hand zu reiÃen, schabte ich Senf von Antons Hose.
Er bedankte sich und stieg ins Postauto.
»Liest du uns den schönsten Brief heute Abend vor?«, erkundigte sich Yasmina.
»Die sind persönlich«, wehrte ich ab.
»Aber Nele darf sie lesen? Find ich ungerecht.«
»Ich habâs ihr nicht erlaubt«, knurrte ich.
Die drei verzogen sich; Gundi wollte Kuchen auf Vorrat backen, Rosi musste Geschäftliches erledigen, und Yasmina hatte sich einen schicken Leinenrock im Landhausstil gekauft, dessen Saum sie ein paar Zentimeter kürzen musste.
Nele presste die Blätter an ihren noch längst nicht voll entwickelten Busen. »Zippi! Hör doch nur: Ich fliege zu dir! Oder: Muss enden die Pein . Wie kannst du nur so grausam sein und diesen Jungen nicht lieben?! Hast du denn überhaupt kein Herz? Wie gefühllos bist du eigentlich?«
»Ich bin nicht gefühllos«, wehrte ich mich. »Und natürlich habe ich ein Herz! Ich halte nur nichts von Lügen. Soll ich Liebe heucheln, wo ich keine empfinde?«
»Das natürlich nicht. Nur verstehe ich nicht, wieso ein so toller Junge dein Herz nicht erreicht.«
Weilâs schon besetzt ist, hätte ich fast erwidert. Aber so einfach
war es ja nicht; ich mochte Cas, aber für mich war er einfach zu brav. »Er wird mal ein groÃer Dichter«, sagte ich ernst. »Ich unterstütze ihn, wo ich nur kann, ich bewundere ihn, ich bewahre alle seine Gedichte sorgfältig in schönen Schachteln auf, er ist mein allerbester Freund und Nachbar. Doch denke daran, Nele. Man kann seinen Gefühlen nicht befehlen und einen Freund küsst man nicht.«
»Verstehe. Du bist seine Muse.«
»Genau. Ich inspiriere ihn. Wenn ich
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