My Story - Streng geheim - Doppelt verliebt haelt besser
vorsichtig. Mir war klar, dass die Rotspitze, egal wie steil, steinig oder landschaftlich wunderbar sie auch sein mochte, für Emir das AUS bedeuten würde, weil er eben nicht schwindelfrei war. Dafür konnte er nichts, aber nie im Leben würde er das zugeben. Da ich auch nichts verraten würde, steckten wir beide in einer bescheuerten Klemme. Dazu kam, dass Ignaz mich am Berg erlebt und gesehen hatte, wie ich auf allen vieren den Fels hochkletterte. Eine Ausrede würde er nie und nimmer gelten lassen.
Plötzlich zog Emir ein zusammengefaltetes Papier aus der Hosentasche und strich es auf dem Tisch glatt. »Zweifellos ist die Rotspitze ein interessanter Berg. Doch was haltet ihr davon?« Mein Heimat-Lover spielte mal wieder »zukünftiger Jurist«, und als solcher hatte er mir das Faltblatt geklaut, das Hubertus mitsamt den Prospekten nach Stuttgart geschickt hatte!
»Hm. Die Starzlachklamm.« Franzl kratzte sich am Kopf, Ignaz rümpfte die Nase. »Na ja, wenn es unbedingt sein muss ⦠Was meint ihr dazu?«
Marta zuckte die Schultern. »Solange ich eine Enzianblume finde, ist mir das Wandergebiet egal.«
»Da wir morgen eh keine Fernsicht haben, und wenn wir die Blume auch in der Klamm finden, muss es für mich nicht die Rotspitze sein«, unterstützte ich Marta.
Rosi setzte sich an den Tisch. »Bei schlechtem Wetter ist die Klamm das Richtige. Ihr braucht keinen Bus, ihr müsst nur den Berg hinunter, durchs Dorf und dem Bachlauf folgen.«
»Aber Eintritt müssen sie zahlen!«, rief Gundi aus der Küche.
»Den übernehme ich«, sagte Emir flink.
»Für alle?«
»Für alle. Ich hab gestern noch ein bisschen jongliert«, setzte Emir so verlegen hinzu, dass ich misstrauisch wurde. Na ja. Ob das Geld nun Teil seines Taschengelds oder tatsächlich Jongliergeld war, ging mich nichts an - wichtig war, dass Emir sich nicht blamierte, schlieÃlich gibt sich niemand gerne vor seinem Konkurrenten eine BlöÃe.
Plötzlich blickte Marta besorgt auf die Karte. »Ist die Strecke gefährlich? Ich frage deshalb, weil ich noch nie in einer Klamm war.«
»Gefährlich?« Franzl und Ignaz lachten. »Das ist ein Sonntagsspaziergang. Links sind ein paar Felsen, rechts sind ein paar Felsen, dazwischen flieÃt der Bach. Der Weg ist mit Seilen gesichert - jede Oma mit Brille und Hörgerät schafft das.«
»Vorausgesetzt, sie trägt die richtigen Schuhe«, setzte Rosi hinzu. »Wennâs geregnet hat, ist der Weg stellenweise ein bisschen rutschig. Aber gefährlich ist er wirklich nicht, Marta. Ihr geht auf der einen Seite des Bergs hinunter, auf der anderen wieder hoch und kommt direkt vor Zenzas Hütte an.«
Genau so haben wir den Ausflug besprochen und geplant. Klug und vorausschauend hatte ich eine Bergbesteigung samt eventueller Kletterpartie zu vermeiden gewusst und somit Emir vor einer Blamage bewahrt - dachte ich. Er und Marta sahen einem auch für Senioren geeigneten Spaziergang ohne Schwindelpotenzial entgegen, keiner von uns
wollte etwas Böses und doch stolperten wir in ein echt gefährliches Abenteuer.
Leider haben Abenteuer die Eigenschaft, total harmlos zu beginnen. Deshalb wiegt man sich ja auch so lange in Sicherheit, bis auf einmal etwas Unvorhergesehenes eintritt. Plötzlich ist dann alles anders, irgendwie wurstelt man sich durchs Chaos, und erst, wenn alles vorbei ist, checkt man die Sache: wow! Das war ja ein richtiges Abenteuer!
Aber noch war es nicht so weit. Noch regnete es, und weil man in den Bergen mit langen Regentagen, Stromausfällen, Handyschweigen, leeren Batterien und somit jeder Menge Langeweile rechnen muss, sorgen die Hütten für Abwechslung.
Wir spielten »Mensch ärgere dich nicht«, »Monopoli« und »Schatzsuche«. Zuerst kamen wir uns natürlich ziemlich blöd vor, kindisch und so, aber das gab sich schnell. Franzl war der beste Monopolist, Ignaz der erfolgreichste Schatzsucher und Emir der mit deutlichem Abstand schlechteste Verlierer - vor Wut warf er das Spielbrett samt Männchen und Würfel in die Ecke! Und so ein Temperamentbündel will Rechtsanwalt werden? Also ich weià nicht, ob das der passende Beruf für ihn ist.
Am Abend regnete es noch immer stetig und gleichmäÃig. Rosi trat vor die Hütte, streckte die Nase ins Nass, schnupperte und verkündete für den kommenden Tag ganz sicher besseres
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