My Story - Streng geheim - Kein Kuss fuer Finn
kehrt, schwang sich auf sein Bike, das an der Mauer gelehnt hatte, und radelte davon.
Soll einer die Kerle verstehen!
Immerhin hatte ich mehr Zeit herausgeschunden. Keinen festen Termin, das bedeutete, dass ich Lukas vermutlich das ein oder andere Mal vertrösten konnte. Vielleicht fiel mir in der Zwischenzeit ja etwas ein, wie ich an den iPod kommen konnte, ohne Finn bloÃstellen zu müssen.
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Nach dem Mittagessen schaltete ich meinen PC ein und googelte erst einmal Mehlis Telefonnummer. Als ich anrief, hatte ich ihn gleich dran.
»Charlie!«, rief er überrascht. »Was gibtâs?«
Ich hatte es mir so leicht vorgestellt, ihn zu fragen, ob er mit mir üben wollte. Die Frage aber zu stellen, bedeutete, jemandem von meinen Schauspielplänen zu erzählen. Damit würde es wesentlich schwieriger werden, noch einen Rückzieher zu machen. Aber was dachte ich da? Ich wollte nicht kneifen, sondern Finns Julia werden! Bevor ich noch länger darüber nachdenken konnte, fragte ich: »Hast
du zufällig Zeit und Lust, mit mir für das Vorsprechen zu üben?«
»Du willst doch bei der AG mitmachen?«
Ich nickte und quetschte dann ein »Ja« hinterher.
»Cool!« Er klang tatsächlich begeistert. »Wie weit bist du?«
»Ãh⦠ich habe den Text hier liegen, falls du das meinst.«
»Du hast noch nicht angefangen?«, rief er entsetzt. »Wir haben schon Dienstag! Du hast nicht mal mehr drei Tage!«
»Ich hab den Text erst heute bekommen.« »Autsch. Das wird eng.« Er dachte einen Moment nach, dann sagte er: »Okay, pass auf: Du paukst heute den Text und morgen Nachmittag treffen wir uns und ich frag dich ab. Einverstanden?«
»Super! Wann und wo?«
»Machen wir morgen in der Schule aus.«
»Könnten wir das diskret machen?«, bat ich.
»Wieso? Die Leute wissen doch schon, dass du mit mir und den anderen herumhängst. Bin ich dir etwa peinlich?«
»Blödsinn!«, rief ich schnell. Himmel, war ich ihm jetzt auch noch unabsichtlich auf die Zehen getreten?
Mehli lachte. »War nur ein Scherz. Aber warum die Geheimniskrämerei?«
»Zu Hause war ich nur für die Kostüme zuständig«, gestand ich. »Geschauspielert hab ich noch nie, und deshalb will ich nicht, dass gleich die ganze Schule davon erfährt.«
»Und Finn schon gar nicht, was?«
Peng! Treffer - versenkt!
»Wie kommst du denn darauf?«, schoss ich ein wenig zu schnell zurück, um noch als ahnungslos durchzugehen.
Als wolle er mein Eigentor quittieren, lachte er schon wieder.
»Also ehrlich, Charlie, ich kenne dich zwar noch nicht lange, aber ich hab Augen im Kopf.«
So schlimm?! War unter dem »Schuldig«-Stempel jetzt auch noch ein Herz mit Finns Namen auf meiner Stirn?
Ich wollte ihn zum Stillschweigen verpflichten, ihm schlimmste Strafen androhen, falls er quatschte, aber bevor ich überhaupt zu Wort kam - gut, ich war so überrumpelt, dass es mir schwerfiel, Buchstaben so zu sortieren, dass sie Wörter ergaben -, meinte er: »Keine Sorge, ich sag keinen Ton. Wir wollen ihn ja überraschen.«
Worüber wollte er schweigen? Darüber, dass ich beim Vorsprechen mitmachen wollte, oder darüber, dass ich bis über beide Ohren in Finn verschossen war. Da es mir zu peinlich war nachzufragen, konnte ich nur hoffen, dass er beides meinte. Deswegen sagte ich nur: »Prima, dann sehen wir uns morgen!«
Den Rest des Nachmittags verbrachte ich damit, mir die paar Zeilen Text einzuhämmern. Obwohl es wirklich nicht viel war und ich schon wesentlich längere Gedichte für den Deutschunterricht auswendig gelernt hatte, wollte es mir einfach nicht gelingen, mir diese paar lächerlichen Zeilen zu merken, ohne dass ich ständig Worte vertauschte oder irgendwie verstümmelte. Mein einziger Trost war, dass ich mit meinem Training ja erst am Anfang stand und bis Freitag auf jeden Fall noch besser werden würde - besser werden musste.
Heute wollte ich mich noch mit dem reinen Text befassen, und ab morgen, wenn ich ins Mehli-Trainingslager ging, musste ich auch an meinem Ausdruck, dem Tempo und all dem anderen Zeug arbeiten, auf das Schauspieler so achteten. Dinge, die einem, wenn man einen Film oder eine Aufführung ansah, völlig selbstverständlich erscheinen und in
Wahrheit höllisch schwer sind. Dass es kein Zuckerschlecken werden würde, ahnte ich bereits nach
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