My Story - Streng geheim - Sechs Kuesse für Lulu
richtig. Man muss sich nicht alles antun, nur weil man dafür bezahlt hat.«
ALEX: »Genau so sehe ich das auch. Was bedeutet schon das Geld für eine Kinokarte, wenn man sich stattdessen auch angeregt unterhalten kann? Und ich muss sagen, das geht mit Ihrer Tochter wirklich sehr gut.«
MEIN VATER: »Können wir dich denn jetzt irgendwo mit hinnehmen? Dich eben noch nach Hause bringen vielleicht? Wo wohnst du denn?«
ALEX: »Gerne, da wäre ich Ihnen natürlich sehr verbunden. Aber es reicht, wenn Sie mich am Kanal rauslassen, von da habe ich es nicht mehr weit.«
MEIN VATER: »Kommt gar nicht infrage! Wir bringen dich natürlich bis vor die Tür. Es laufen so viel schräge Gestalten in der Gegend rum, da sollte man besser vorsichtig sein.«
Er hielt Alex die Beifahrertür auf. Alex stieg ein. Ich kletterte auf die Rückbank und dachte, dass jetzt immerhin eine schräge Gestalt weniger in der Gegend rumlief. Nur dass sie dafür leider bei uns im Auto saÃ!
Aber vielleicht stimmte meine Rechnung auch nicht so ganz. Bei genauerem Hinsehen waren es ja wohl doch eher zwei schräge Gestalten, die sich da jetzt in unserem Passat die Sicherheitsgurte anlegten und unverzüglich in die nächste Runde ihrer Diskussion-zwischen-zwei-Leuten-die-sich-sehr-sympathisch-finden starteten. Wobei es diesmal um die Vorzüge des alten Passat-Modells gegenüber dem neuen ging. Bis mein Vater dann irgendeinen Nachteil ins Spiel brachte â¦
»Da haben Sie natürlich vollkommen recht«, gab Alex unumwunden zu, »das ist sogar ein deutlicher Nachteil!«
»Aber trotzdem«, sagte mein Vater und klopfte aufs Lenkrad, »insgesamt überwiegen doch die Vorteile. Und hier weià man wenigstens, was man hat. Bisher konnte ich mich jedenfalls immer auf den Wagen verlassen.«
»Unbedingt«, erklärte Alex (nein, er klopfte nicht auf das Lenkrad, aber wahrscheinlich nur, weil ich ihm mittlerweile den Sicherheitsgurt so straff nach hinten zog, dass er sowieso kaum noch Luft bekam!). »Unbedingt«, wiederholte er röchelnd, »solche Autos werden heute ja gar nicht mehr gebaut!«
Das Haus, vor dem wir Alex absetzten, war eigentlich gar kein Haus. Sondern mehr eine Villa wie aus einer amerikanischen Fernsehserie. »OC California« oder so. Nur dass sie bei Alex aus dem Wohnzimmerfenster eben nicht auf den Pazifik, sondern auf den Mittellandkanal guckten. Aber man kann nun mal nicht alles haben!
»Meinen verbindlichsten Dank«, verabschiedete sich Alex mit korrektem Handschlag von meinem Vater und stieg aus. »Wir sehen uns«, drohte er mir an und tippte sich mit zwei Fingern lässig an seine Cap, um sich auf den langen Weg die Einfahrt hoch zu begeben. Und sich dann in seinem Zimmer wahrscheinlich noch eine DVD reinzuziehen. Ich tippte entweder auf »Wer wird Millionär?« oder »Metallica bei den Turakos«. Aber vielleicht würde er auch unverzüglich sein Metallica-T-Shirt in den Müll werfen und per Internet ein Stones-Shirt bestellen.
»Eigentlich ein ganz netter Bursche«, erklärte mein Vater, während wir noch hinter Alex herguckten und beobachteten, wie mit jedem Meter, den er seinem DVD-Player näher kam, links und rechts von ihm im Rasen versteckte Scheinwerfer aufflammten. Und als absoluter Höhepunkt der Szene »Günther Jauch im Landeanflug auf zu Hause« fing dann auch noch der Springbrunnen vor der Haustür an zu sprudeln. Mit indirekter Beleuchtung natürlich.
»Und sie wohnen ja wirklich nicht schlecht«, kommentierte mein Vater beeindruckt das kitschige Schauspiel. »Da hatte Moritz doch recht! Hast du denn eine Ahnung, was die Eltern von diesem Alex so machen?«
»Seine Mutter ist schon seit Jahren tot«, sagte ich. »Aber das ist keine schöne Geschichte. Sie lag gerade in der Sonne am Pool und schlürfte ihren Bacardi, als so ein völlig durchgeknallter Typ über die Mauer geklettert kam und sie mit einem Beil erschlagen hat. Den Typen haben sie bis heute nicht gekriegt, aber Alex glaubt inzwischen, dass es gar kein Fremder war, sondern sein eigener Vater! Der hat sich nämlich mit Aktien verspekuliert und wollte an die Lebensversicherung seiner Frau ran, du weiÃt schon, wie das bei Millionären so ist. Eigentlich ganz normaler Alltag, passiert ja ständig in solchen Kreisen. Nur dass Alex leider echt einen abgekriegt hat dadurch und jetzt auf
Weitere Kostenlose Bücher