My Story - Streng geheim - Verrueckt nach Mark
kann mir irgendeinen Tipp geben.
Meine Oma wohnt in einer alten Villa, die einen neuen
Anstrich gut vertragen könnte, doch dazu hat sie weder Lust noch die Kraft, wie sie immer sagt. Der Vorgarten ist mittlerweile zu voller Pracht erblüht und auch im Garten hinter dem Haus grünt und blüht es. Vielleicht lässt sich Oma dazu überreden, drauÃen mit mir Kuchen zu essen. Der Himmel ist grau, aber es sieht nicht nach Regen aus. Ab und zu schimmert sogar ein Stückchen Blau durch. Der Bäcker ist nicht weit von hier entfernt, da könnte ich schnell hinlaufen.
An der Tür angekommen, klingele ich. Zweimal genügt, sie mag es nicht, wenn man Sturm klingelt. Während ich warte, dass sie die Treppe herunterkommt, schaue ich mir die Rosen im Vorgarten an. Oma hat viele alte Sorten, von einigen behauptet sie, dass sie sogar vor ihrem Einzug hier gestanden haben. Der Krieg und alles, was folgte, hat den Pflanzen und auch dem Haus nicht viel anhaben können.
»Wenn Sie mir was verkaufen wollen, können Sie gleich wieder gehen«, höre ich Oma schlieÃlich rufen. Das macht sie immer, wenn sie die Treppe herunterkommt - obwohl kaum ein Vertreter kehrtmacht, wenn er das hört. Ich mache mir immer gern einen Spaà daraus, sie damit zu necken.
»Wirklich nicht?«, rufe ich also zurück. »Ich habe hier ein paar ganz tolle Zeitungsabos für Sie. Ich bin mir sicher, dass Sie etwas Passendes finden werden.«
»Nein, ich bin nicht interessiert«, tönt es aus dem Hausinneren, aber dennoch geht sie weiter auf die Tür zu. Meiner Oma kann ich nicht wirklich weismachen, ein Vertreter zu sein, aber sie spielt dieses Spiel viel zu gern mit mir, als dass sie es frühzeitig abbrechen würde.
»Aber dieses Abo wird Sie aus den Schuhen heben! Fünf Zeitungen zum Preis von sechs, und wenn Sie zehn Jahre dabeibleiben,
bekommen Sie wahlweise eine aufblasbare Telefonzelle oder eine viertürige Waschmaschine!«
Oma öffnet die Tür und schaut mit gespielt grimmiger Miene nach drauÃen. Das sieht so komisch aus, dass ich lachen muss. Wenn sie bei den echten Vertretern auch so guckt, wird sie sie wohl kaum vertrieben bekommen.
»Vielen Dank, eine Waschmaschine habe ich auch schon. Ich bleibe dabei, ein Zeitungsabo will ich nicht. Dann nehme ich lieber meine Enkelin, haben Sie die zufällig im Angebot?«
»Aber klar doch!«, rufe ich und falle Oma um den Hals.
»Hallo Mondkind, wie geht es dir?«
Mondkind ist mein Spitzname, wegen Luna. Mama behauptet, Oma habe ihn mir schon als Baby gegeben, als ich mit meinem kugelrunden Mondgesicht aus dem Kinderwagen geschaut habe.
»Mir geht es prima, und dir?«
»Die Knochen knacken wie immer, also kein Grund zur Sorge«, entgegnet meine Oma. »Komm doch rein.«
»Soll ich nicht erst noch zum Bäcker laufen und uns ein wenig Kuchen holen? Heute ist doch so schönes Wetter, da könnten wir uns in den Garten setzen.«
»Meinetwegen, mein Zuckerspiegel ist heute gut. Und das Essen vom Lieferdienst war etwas für den hohlen Zahn.«
Nicht dass meine Oma nicht toll kochen könnte, doch für einen allein ist es zu viel Aufwand. Wegen ihres Zuckerspiegels braucht sie regelmäÃig was zu essen. Also lässt sie sich Essen auf Rädern bringen. Und mittlerweile findet Oma den Lieferservice auch ganz toll.
Ich flitze also schnell zum Bäcker an der Ecke (ist nicht mit den Bäckereien in Berlin zu vergleichen, aber die haben hier zumindest meine Lieblingslutscher) und bin wenig später wieder da.
»Hast du dein Zeugnis mitgebracht?«, fragt Oma dann auch gleich, als ich die Kuchenstücke (Schneewittchenkuchen, das ist mein liebster) auf einen Teller lege.
»Ja klar!«, antworte ich. Nachdem Mama sich gestern schon gefreut hat, wird Oma wohl auch zufrieden sein.
»Und was hast du da noch drin? Dein Zeugnis wird doch wohl nicht so dick sein.«
»Zeichensachen«, antworte ich. »Ich mache bei einem Wettbewerb mit.«
»Bei einem Zeichenwettbewerb?« Da bekommt Oma leuchtende Augen. »Das ist ja sehr schön. Dein GroÃvater wäre stolz auf dich gewesen.«
Ich kenne meinen Opa nicht, er ist an Lungenkrebs gestorben, bevor ich geboren wurde. Aber Oma hat mir erzählt, dass er früher sehr gern gemalt hat. Ein paar Bilder von ihm hängen auch noch im Haus, und ich muss zugeben, dass die Motive zwar ein wenig kitschig sind, aber
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