My Story - Streng geheim - Verrueckt nach Mark
neues Handy oder ein lang ersehntes PC-Spiel bekommen. »Schön, dass wir uns wiedersehen! Hast du einen Moment Zeit? Ich bringe nur schnell den Kaffee ins Büro meines Vaters, dann können wir ein wenig reden.«
Ins Büro seines Vaters? Ich muss ihn wohl ziemlich verdattert angesehen haben, denn er fragt: »Hatte ich dir nicht erzählt, dass der Laden meinem Vater gehört?«
»Nein, du hast mir erzählt, dass du hier jobbst.«
»Oh.« Er lächelt verlegen. »Warte einen Moment, ich bin gleich wieder bei dir.«
Damit dreht er sich um und läuft mit dem Kaffeebecher Slalom durch die Kundenmenge. Protestieren wäre zwecklos gewesen. Ich überlege, ob ich nicht einfach abhauen soll. Welchen Grund habe ich denn, auf ihn zu warten?
Doch so gemein will ich nicht sein. Ich warte also und schaue mir derweil die kleinen Geschenkbücher an, die in der Nähe des Ausganges in Stapeln rumliegen. Vielleicht sollte ich Bine und Nico so etwas schenken, wenn sie wieder zurück sind? Es gibt sogar eins für die beste Freundin oder eins mit dem Titel »Ich hab dich vermisst«. Während ich mir die Bücher anschaue, strömen massenhaft Kunden an mir vorbei. Einige bleiben neben mir stehen und beginnen ebenfalls, in den Geschenkbüchern zu blättern. »Schaufensterphänomen«
wird das genannt. Es besagt, dass sich, wenn man vor einem Schaufenster steht, andere Leute automatisch hinzugesellen, um nichts zu verpassen. Bine, Nico und ich haben das mal ausprobiert und festgestellt, dass das wirklich funktioniert. Egal, ob wir ins Schaufenster einer Drogerie, eines Bäckers oder eines Schlüsseldienstes geglotzt haben, überall haben sich tatsächlich Leute hinter uns gestellt und einen langen Hals gemacht.
Nach einer Weile taucht Thomas wieder auf. »Na, was ist, wollen wir ein Eis essen gehen?«, überfällt er mich. »Ich lade dich ein!«
Ich wette, das hat er von vornherein vorgehabt! Warum habe ich nicht gleich die Flucht ergriffen? Was mache ich jetzt? Klar esse ich für mein Leben gern Eis, aber ob ich Lust habe, dabei neben Thomas zu hocken, weià ich nicht wirklich. Warum sind Bine und Nico nicht da, wenn ich sie brauche! Doch selbst wenn sie da wären, hätten sie mir wohl eher zu- als abgeraten â¦
»Okay«, höre ich mich antworten (allerdings glaube ich nicht, dass ich das wirklich bin, eher muss meine Doppelgängerin das gesagt haben), und schon sind wir auf dem Weg zur nächsten Eisdiele. Ich frage mich, wie Thomas seinem Vater erklärt hat, warum er so plötzlich eine Pause von seinem Job braucht.
So gemütlich wie das Café Bretzel ist das Eiscafé nicht. Gianniâs Eis steht über der Eingangstür in Leuchtbuchstaben, die bei Dunkelheit in den italienischen Nationalfarben strahlen. Ein paar Mal haben wir eine Waffel Eis von hier geholt und das war auch sehr lecker. Aber was das Stammcafé angeht, sind Bine, Nico und ich mittlerweile wie alte Damen, die sich nur an einem bestimmten Ort wohlfühlen.
Wohl fühle ich mich in Thomasâ Gegenwart jedenfalls
nicht. Wir suchen uns einen Platz unter einem der Sonnenschirme, die heute ausnahmsweise mal zu Recht aufgespannt sind. Die Sonne strahlt und am Himmel hängen nur ein paar Federwolken. Es ist, als würde sich die Wetterfee über mein Treffen mit ihm freuen. Oder ist das der Beitrag der Glücksfee, damit mein Eis schnell schmilzt und das Eisessen bald beendet ist?
Die Leute ringsherum plappern lebhaft, nur ab und zu schaut jemand zu uns rüber. Wahrscheinlich denken alle, dass wir beide miteinander gehen. Plötzlich schieÃt mir durch den Sinn, dass Mark das auch denken könnte, wenn er uns zufällig hier sähe. Und prompt recke ich auch schon den Kopf wie eine Schildkröte, die in die Sonne will - auch wenn es noch so unwahrscheinlich ist, dass er gerade jetzt hier auftaucht. (Was Thomas wohl denken würde, wenn ich plötzlich aufspringe, losrenne und »Mark« schreie!)
Doch ich sehe leider keinen Mark und auch sonst niemanden, der mich aus meiner unangenehmen Lage befreien könnte. Also Augen zu und durch!
»Wo wohnst du eigentlich?«, fragt Thomas, nachdem wir uns eine ganze Weile gegenübergesessen haben, ohne etwas zu sagen.
Mir ist komisch zumute, noch immer will ich nichts anderes als weg hier, aber Thomas hat es nun wirklich nicht verdient, dass ich einfach aufstehe und ihn hier
Weitere Kostenlose Bücher