MyLady Weihnachtsband 2009 Band 18
weiterhin mit großen Augen an.
„Es ist alles in Ordnung, der Porridge ist nicht angebrannt“, versicherte ihm das kleine Mädchen. „Dafür habe ich schon gesorgt, nicht wahr, Mama?“
Damit war das Eis gebrochen. Ellie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, und der Fremde sah zu Amy hinunter, lächelte und sagte zu Ellie: „Vielen Dank für die freundliche Einladung, Madam – und kleine Miss –, aber ich habe schon gefrühstückt. Gegen was zu trinken hätte ich allerdings nichts einzuwenden.“
Ellie verzog das Gesicht. „Tut mir leid, wir haben nur Milch oder Wasser.“
„Och, Gänsewein passt mir schon, Madam.“
Während Ellie ihm einen Becher mit Wasser holte, warf sie Mr. Bruin einen verstohlenen Blick zu. Steif und schweigend stand er da und runzelte die Stirn. Er schien sich auf einen Schlag gefasst zu machen.
„Essen sie Ihren Porridge, solange er heiß ist“, sagte sie leise. Er setzte sich an den Tisch und begann den Haferbrei zu löffeln.
Schweigend aßen sie, und die unbeantworteten Fragen saßen wie Geister mit am Tisch. Selbst Amy war still und besorgt. Aufmerksam betrachtete der Fremde sie einen nach dem anderen mit zusammengekniffenen Augen.
Endlich war der Porridge aufgegessen; Ellie war sich sicher, dass ihn diesmal keiner hatte genießen können. Sie begann die Schüsseln einzusammeln, doch Mr. Bruin hielt sie mit einer Geste davon ab. Er war nervös, das war deutlich zu sehen. Sie setzte sich neben ihn und nahm seine Hand.
Der Fremde bemerkte es. Sie begegnete seinem missbilligenden Blick und verspürte einen eisigen Stich im Herzen. Dieser Blick hatte etwas zu bedeuten. Der Fremde war offenbar der Ansicht, dass sie kein Recht hatte, die Hand dieses Mannes zu halten, diese zerschrammte Hand, die ihr in so kurzer Zeit so lieb geworden war. Er wusste um die wahre Identität ihres Mr. Bruin. Darauf fasste sie die Hand noch fester, weil sie wusste, dass es womöglich das letzte Mal war.
Er erwiderte den Händedruck. Er war ebenso besorgt wie sie. Amy kam um den Tisch herum und lehnte sich an ihn, und er legte den Arm um sie. Ellies Kehle war wie zugeschnürt. Es war, als wären sie drei eine Familie, die sich zusammengeschlossen hatte, um sich gegen den Eindringling zu verteidigen. Dabei war es doch genau umgekehrt: Dieser kleine Mann war gekommen, um ihren geliebten Mr. Bruin zu seiner richtigen Familie zurückzubringen.
„Sie sagen also, dass Sie mich kennen. Wer bin ich?“
Ungläubig starrte der Fremde ihn an.
Ellie erklärte ausdruckslos: „Er wurde überfallen und ausgeraubt, bevor er hierherkam. Sein Kopf hat heftig geblutet, und er hat vierundzwanzig Stunden lang geschlafen. Als er aufwachte, hat er sich an nichts mehr erinnern können – wer er ist, wo er wohnt, nichts.“
„Kopfverletzung, was? Na, das erklärt eine ganze Menge.“
Als er Ellies Blick sah, erklärte er: „Ich habe das schon früher erlebt, in der Armee, Madam. Ein Mann kriegt einen Schlag auf den Kopf und ist für eine Weile nicht mehr ganz da. Ich kenne einen Burschen, bei dem ist das Gedächtnis nie wieder ganz zurückgekehrt, aber meistens kommen die Erinnerungen zurück.“ Er drehte sich um. „Das wird schon wieder, Captain Ambrose. Wenn Sie erst mal wieder daheim sind, fällt Ihnen alles wieder ein.“
„Captain Ambrose? Das klingt überhaupt nicht vertraut. Wie lautet mein voller Name?“
„Captain Daniel Matthew Bramford Ambrose, ehemals vom Fünften Regiment.“
Daniel, dachte Ellie, das passt zu ihm.
„Und Sie sind?“, fragte Daniel.
Der kleine Mann sprang auf und salutierte. „Sergeant William Aloysius Tomkins, Sir!“ Er wartete einen Moment, zuckte dann mit den Schultern und setzte sich wieder. „Ich dachte, das könnte ein paar Erinnerungen wecken, Sir. Ich war fast sieben Jahre lang Ihr Sergeant. In Gesellschaft sagen Sie Tomkins zu mir, und wenn wir unter uns sind, Tommy.“
Daniel lächelte schwach. „Dann bin … war ich also Soldat.“
Der Sergeant grinste. „Allerdings, Captain, die letzten sieben Jahre, und ein mächtig guter Soldat. Der beste, den man sich bei einer Keilerei wünschen könnte.“
Daniel blickte auf seine zerschrammten Hände und sah dann zu Ellie auf. Sie hatte ihn für kampferprobt gehalten, und das war er auch, nur dass er kein Raufbold war, sondern möglicherweise ein Held.
Ellie schwankte zwischen dem Bedürfnis, mehr zu erfahren, und dem Wunsch, nichts mehr von alldem zu hören, denn mit jedem Wort entfernten sich Mr. Bruin
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