MyLady Weihnachtsband 2009 Band 18
niedergelassen und mitgespielt hatte, bis am Ende nur noch sie beide übrig geblieben waren.
Sie war so ins Spiel vertieft, dass sie alle Vorsicht vergaß und seiner Geschicklichkeit ebenso begeistert applaudierte wie Aubrey und Bella oder vor Freude jauchzte, als sie ihn besiegte. Sie hatte einfach liebreizend ausgesehen, wie sie mit ihren zerdrückten Röcken dagesessen hatte, ihre Stäbchen mit analytischer Präzision geholt und ihn dann angestrahlt hatte, mit einem schüchternen und gleichzeitig herausfordernden Lächeln, bei dem ihm ganz eng in der Brust geworden war. In diesem Moment hätte er sie am liebsten in die Arme genommen und sie davongetragen.
Oder gestern Abend, nachdem er wieder zu ihr ans Pianoforte getreten war, um mit ihr Duette zu singen. Er hatte sie um einige seiner Lieblingslieder gebeten und sich in diesem Augenblick mit der Vereinigung ihrer Stimmen begnügt.
Wie während des Mikadospiels hatte sie sich auch da nach einer Weile entspannt, hatte mit den Fingern über die Tasten gestrichen, mit schräg gelegtem Kopf und geschlossenen Augen, während sie sich ganz der Musik hingab. Die anderen hatten danach applaudiert, und sie hatte zu ihm aufgesehen, und ihre Augen hatten vor Zuneigung gestrahlt, als sie ihm die Hand drückte. Bis sie merkte, was sie da tat, und die Hand hastig zurückzog.
An diesem Morgen war er dann wieder mit ihr ausgeritten. Nachdem sie mehrere Stunden lang Felder, Scheunen und Cottages inspiziert und mit Pächtern geplaudert hatten, war auch hier ihre Zurückhaltung geschwunden. Auf dem Rückweg hatte sie ihn bereits über seine Methoden zu Hause ausgefragt und ihm bei seinen Antworten aufmerksam zugehört.
Als er sie am Ende des Ausritts aus dem Sattel hob, hatte er die Hand wieder verführerisch auf ihrer Taille ruhen lassen, und ihr Blick hatte vor Leidenschaft gebrannt. Einen Augenblick hatte sie ihn bei den Schultern gepackt und den Kopf gehoben, um den Kuss zu empfangen, den er ihr so gern gegeben hätte. Bis sie ihn im letzten Augenblick mit einem leisen Aufkeuchen von sich gestoßen hatte und ins Haus gelaufen war.
Er war sich sicher, dass sie nicht einfach versuchte, ihn erst zu reizen und dann unbefriedigt zu lassen – obwohl er überaus unbefriedigt war. In Susannas erfahrenen Händen hatte er genug über Koketterie gelernt, um zu erkennen, dass Meredyth Wellingford ihn unbewusst ermutigte und dass auch ihr Rückzug unwillkürlich und nicht berechnend war.
Sie schien so darum bemüht, ihn auf Distanz zu halten, dass ihr Begehren und ihre Zuneigung sich nur in Augenblicken geteilten Interesses oder geteilter Freude Bahn verschaffte. Dass sie ihm sehr zugetan war, daran zweifelte er nicht. Warum also zögerte sie dermaßen, es ihm zu zeigen?
Sie konnte doch sicher nicht glauben, dass er nur mit ihr spielte? Dazu waren seine Aufmerksamkeiten zu deutlich und zu öffentlich gewesen.
Er war nur ein Mann – ein schlichtes Wesen, das, nachdem es einmal entschieden hatte, was es wollte, schnurstracks darauf zuhielt, ohne jene Subtilität, welcher die Damen fähig waren. Seine Zuneigung und sein Begehren für Meredyth Wellingford wuchsen, je mehr Zeit er mit ihr verbrachte, sodass er sich immer sicherer war, diese Frau heiraten zu müssen.
Doch sein Besuch näherte sich rasch seinem Ende. Und genau wie er zu der immer festeren Überzeugung gelangt war, dass er Miss Wellingford zur Frau wollte, war er sich immer deutlicher gewiss, dass er nicht bis zum Beginn der Londoner Saison warten wollte, um ihr einen Heiratsantrag zu machen.
An diesem Nachmittag muss es geschehen, entschied er. Was es ihn auch kostete, er musste sie allein zu fassen bekommen, ihr seinen Antrag machen und ein für alle Mal sicherstellen, dass Meredyth Wellingford ihn zumindest als Ehemann in Betracht ziehen würde, wenn sie sich nicht sofort mit ihm verloben wollte.
So befriedigend diese Entscheidung auch war, wurde ihm doch ein wenig übel, als er sich erhob und den anderen aus dem Raum folgte. Eigentlich hatte er gedacht, dass nichts den Qualen der Eifersucht gleichkommen könnte, die er bei Susanna hatte leiden müssen, doch nun musste er entdecken, dass die Ungewissheit bei einer tugendsamen Frau ebenso peinigend sein konnte.
„Miss Wellingford?“, rief er ihr nach, als sie an Sarahs Arm hinausging. „Kann ich Sie wohl dazu überreden, mir den Rosengarten zu zeigen? Ich möchte bei mir zu Hause auch einen einrichten und würde mir gern ansehen, wie Sie diese Aufgabe gelöst
Weitere Kostenlose Bücher