MyLady Weihnachtsband 2009 Band 18
betreten hatte, hatte sich derjenige, der neben ihm saß, sofort erhoben und darauf bestanden, dass sie sich dort hinsetzte. Ihre Schwestern hatten sie am Teetisch sitzen lassen und ihren Platz an Mr. Mansfell abgetreten. Sie brauchte nur mit einem Spiel Karten oder Schach anzufangen, und sofort lud ihr Gegner ihn zum Mitspielen ein. Und jeden Abend verlangte die Gesellschaft lautstark danach, dass sie zu zweit für sie am Pianoforte auftraten.
Atemlos schlüpfte sie in den Stall, und zu ihrer Erleichterung hielt sich dort kein menschliches Wesen auf. Aus der Box gegenüber wieherte ihr ihre Stute zu.
Dankbar atmete Meredyth den tröstlichen Duft nach Heu, Leder und Pferden ein und ging hinüber, um ihre Stute zu streicheln.
Sie sollte ihre Familie nicht verfluchen, schließlich war sie genauso schuld an der Sache. Sie hatte der Versuchung einfach nicht widerstehen können, sich in Allen Mansfells Gesellschaft zu begeben. Die traurige Wahrheit war, dass sie es genoss, mit ihm beim Frühstück zu plaudern, im Salon mit ihm über Politik zu diskutieren, gegen ihn beim Schach anzutreten und mit ihm Duette zu singen. Als sie beim Frühstück angekündigt hatte, dass sie ausreiten wolle, hatte sie ihn ja praktisch dazu eingeladen, sie zu begleiten – und sich heimlich gefreut, weil er mitkommen wollte. Seine Nähe, sein Witz, seine intelligenten und scharfsinnigen Bemerkungen beflügelten sie.
Sie hatte sich dabei ertappt, wie sie schamlos jede Gelegenheit ergriff, seine Berührung zu genießen, hatte ihm gestattet, sie zum Dinner hineinzuführen, ihre Hand zu umfassen, wenn er ihr beim Aufstehen half, sie vom Pferd zu heben … wo sie seine Hände auf ihrer Taille gespürt hatte und seine Lippen den ihren so nahe gekommen waren, dass sie sich am liebsten auf die Zehenspitzen gestellt hätte, um sich den Kuss zu holen, den er ihr allem Anschein nach äußerst bereitwillig gegeben hätte.
Oh, wie sehr sie sich nach diesem Kuss sehnte … und mehr!
Was seinen Heiratsantrag, den sie eigentlich zu verhindern gesucht hatte, nur umso quälender machte. Erstens, weil er ihr – wie sie sich gedacht hatte – nicht die Liebe anbieten konnte, nach der sie sich sehnte. Zweitens, weil sie so versucht gewesen war, seinen Antrag auch ohne diese Liebe anzunehmen.
Ihre Familie würde vermutlich genauso wenig wie Mr. Mansfell verstehen, warum es ihr so widerstrebte, ihn zu heiraten. Sarah zum Beispiel hatte ebenfalls eine Vernunftehe geschlossen – die anfangs auf nicht mehr als gegenseitiger Achtung gründete –, die sich zu einem wunderbaren Eheleben entwickelt hatte.
Aber Sarah hatte auch Glück gehabt; derartige Verbindungen gingen nicht immer gut. Außerdem hatte ihre Schwester nicht lange Jahre mit ihrer Mutter zugebracht, während diese langsam dem Tod entgegensiechte, und sich bittere Erinnerungen angehört, die alles waren, was ihr von ihrer eigenen Vernunftehe mit einem attraktiven Mann geblieben war.
War es etwa dumm von ihr gewesen, Allen Mansfell so kategorisch abzuweisen?
Meredyth stieß einen zornigen Fluch aus, bei dem das Pferd ängstlich mit den Ohren zuckte, und verließ den Stall. Sie würde aufhören mit der Grübelei. Allen Mansfell war ein wahrer Gentleman, er war intelligent und witzig, in seiner Nähe brannte sie vor Begierde, aber er liebte sie nicht, und damit war die Sache für sie erledigt.
Sosehr sie sich das Entzücken zurückwünschte, das sie mit James geteilt hatte, wollte sie sich doch nicht mit weniger zufriedengeben und Enttäuschung und Kummer riskieren. Sie würde Allen Mansfell nicht erlauben, sie zu beleidigen, indem er ihr weniger bot und um ihre Einwilligung schacherte, als wäre sie käuflich.
Natürlich würde Mr. Mansfell nicht nachvollziehen können, wie sie einen Heiratsantrag, den die meisten Frauen in ihrer Gesellschaft für schmeichelhaft halten würden, als Beleidigung betrachten konnte, und wäre jetzt ebenso zornig und frustriert wie sie selbst. Doch bis sie ihn im Frühling wiedersah, wäre er sicher darüber hinweggekommen und würde irgendeiner vernünftigeren, zugänglicheren Frau den Hof machen.
Was eine gute Sache wäre, sagte sie sich. Allerdings wollte es ihr nicht ganz gelingen, sich davon zu überzeugen.
Den ganzen Abend und am nächsten Tag fühlte Meredyth sich an die Weisheit erinnert, dass es manchmal klug sei, sich nicht allzu sehr nach etwas zu sehnen, sonst würde man es am Ende noch bekommen. Nachdem sie Mr. Mansfell am Ende der Unterredung
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