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Myron Bolitar 03 - Der Insider

Myron Bolitar 03 - Der Insider

Titel: Myron Bolitar 03 - Der Insider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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passierte. Die Masse stellte sich hinter den Underdog -aber sie tat das nicht auf eine gute, positive Art. Sie machte das auf eine unverhohlen herablassende und spöttische Art: Lass uns nett zu den Ersatzspielern sein. Das Spiel haben wir sowieso gewonnen, jetzt wollen wir noch was zu lachen haben.
    Noch mehr Rufe nach Myron und dann ... die Sprechchöre. Sie begannen leise, wurden aber lauter. Und lauter. »Wir wollen Myron! Wir wollen Myron!« Myron versuchte, sich nicht zusammenzukrümmen. Er tat so, als höre er nichts, täuschte intensive Konzentration auf das Geschehen auf dem Spielfeld vor, hoffte, dass er nicht noch weiter errötete. Die Sprechchöre wurden lauter und schneller, bis sie sich in einen einzigen Schlachtruf auflösten, der wieder und wieder erscholl, vermischt mit Gelächter:
    »Myron! Myron! Myron!«
    Er musste die Situation entschärfen. Es gab nur eine Möglichkeit. Er sah prüfend auf die Uhr. Immer noch drei Minuten. Er musste aufs Feld. Natürlich wäre die Sache damit nicht beendet, aber es würde die Menge wenigstens vorübergehend zum Schweigen bringen. Er blickte zum anderen Ende der Bank. Der Kipper sah ihn fragend an. Myron nickte. Der Kipper lehnte lieh zu Coach Walsh hinüber und flüsterte etwas. Walsh stand nicht auf. Er brüllte einfach: »Bolitar. Rein für Cameron.«
    Myron schluckte und stand auf. Die Menge brach in Spott aus. Er marschierte zum Tisch des Punktrichters und riss sich die Trainingshose vom Leib. Seine Beine waren steif und verkrampft. Er zeigte zum Punktrichter, der nickte und betätigte den Summer. Myron betrat das Feld. Er wies auf Cameron. Cameron trabte vom Feld. »Kraven«, sagte er zu Myron. Der Name des Spielers, gegen den Myron verteidigen sollte.
    »Und jetzt im Spiel für Bob Cameron«, begann die Lautsprecherstimme, »unsere Nummer 34. Myron Bolitar!«
    Die Menge flippte vollständig aus. Gejohle, Pfiffe, Schreie, Gelächter. Ein argloser Beobachter hätte vielleicht sogar gedacht, dass die Menge ihn in freudiger Erwartung in Empfang nahm, aber so war das nicht. Sie erwarteten eine Art Zirkusclown. Sie freuten sich darauf, dass er über seine Füße stolperte und auf dem Bauch landete. Dafür war Bolitar ihr Mann!
    Myron betrat das Feld. Es war, wie ihm plötzlich klar wurde, sein NBA-Debüt.
    Bis zum Ende des Spiels hatte er fünf Ballkontakte, von denen jeder mit Gelächter und Buhrufen begrüßt wurde. Er warf einmal auf den Korb, innerhalb der Drei-Punkt-Linie. Eigentlich hatte er das vermeiden wollen, denn er wusste, wie die Menge reagieren würde - ganz egal was passierte -, aber einige Dinge hatte er zu sehr verinnerlicht. Er dachte gar nicht darüber nach. Der Ball flutschte, ohne den Ring zu berühren, durchs Netz. Zu diesem Zeitpunkt waren nur noch dreißig Sekunden zu spielen, und zum Glück hatten die meisten genug gesehen und waren bereits auf dem Weg zu ihren Autos. Es gab nur wenig hämischen Applaus. Aber während dieses kurzen Moments, als Myron den Ball fasste, als seine Fingerspitzen die Rillen ertasteten, als er den Ellenbogen beugte und den Ball einen halben Zoll über seiner Stirn und seiner Handfläche balancierte, als der Arm sich dann streckte, als das Handgelenk sich in einer flüssigen Bewegung nach vorne krümmte, als die Fingerspitzen über die Oberfläche des Balls tanzten und ihm den idealen Rückwärtsdrall versetzten - in diesem kurzen Moment war Myron allein. Sein Blick war auf den Korb gerichtet, nur auf den Korb, er sah den Ball gar nicht an, der im hohen Bogen auf den Korb zuflog. In diesen wenigen Sekunden gab es nur Myron, den Ring und den Ball, und das fühlte sich alles sehr gut an.
    Die Stimmung im Umkleideraum nach dem Spiel war sehr viel lebhafter. Myron sprach mit allen Spielern, außer mit TC und Gregs Zimmergenossen Leon White, den er am dringendsten näher kennen lernen wollte. War ja klar gewesen. Er konnte es aber auch nicht erzwingen, so was ging immer nach hinten los. Morgen vielleicht. Er würde es wieder versuchen.
    Er zog sich aus. Das Knie wurde langsam steif, als hätte jemand die Sehnen zu straff angezogen. Er legte einen Eisbeutel drauf und band ihn mit einer elastischen Binde fest. Er humpelte zur Dusche, trocknete sich ab und war fast fertig angezogen, als er bemerkte, dass TC neben ihm stand.
    Myron sah nach oben. TC hatte seine Piercings wieder angelegt. In den Ohren natürlich sowieso. Drei Ringe im einen, vier im anderen. Einen in seiner Nase. Er trug eine schwarze Lederhose und ein

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