Myron Bolitar 03 - Der Insider
»Okay«, sagte sie und atmete tief aus. »Entschuldigung angenommen.«
Ihre Blicke trafen sich. Sie lächelten sich viel zu lange an. Myron kam sich vor wie ein Kandidat in einer Gameshow. Zum Glück riss ihn ein Gedanke aus seiner Trance. »Hast du auch mit Greg Downing geschlafen?«, fragte er.
»1993«, sagte sie. »Er war einer der ersten von den Dragons.«
Da muss er ja mit stolzgeschwellter Brust rumgelaufen sein. »Seht ihr euch noch?«
»Klar. Wir sind gute Freunde. Mit den meisten Jungs freunde ich mich hinterher an. Nicht mit allen, aber mit den meisten.«
»Habt ihr euch öfter mal unterhalten?«
»Gelegentlich.«
»Und in letzter Zeit?«
»In den letzten ein, zwei Monaten nicht so viel.«
»Weißt du, ob er eine feste Freundin hat?«
Klopfer sah ihn neugierig an. »Wieso interessiert dich das?«
Myron zuckte die Achseln. »Ich will doch nur ein bisschen plaudern.« Die Rückkehr von Mr Lahmarsch.
»Da hast du dir aber ein komisches Thema gesucht«, sagte sie.
»Ich hab in letzter Zeit halt oft an ihn gedacht. Das ganze Gerede, dass ich jetzt in Gregs Mannschaft bin, und unsere gemeinsame Vergangenheit. Da bin ich einfach ins Grübeln gekommen.«
»Und da grübelst du über Gregs Liebesleben?« Sie nahm ihm das nicht ab.
Myron zuckte kurz die Achseln und murmelte etwas, das er selbst nicht verstand. Eine Gruppe an der anderen Seite des Pools brach in Gelächter aus. Ein paar seiner neuen Teamkollegen amüsierten sich über einen Witz. Leon White war unter ihnen. Als sein Blick Myrons traf, nickte er ihm kurz zu. Myron erwiderte den Gruß. Ihm wurde klar, dass seine Teamkollegen zwar so taten, als schenkten sie ihm keine Beachtung, dass aber trotzdem alle wussten, warum Klopfer ihn angesprochen hatte. Wieder erinnerte ihn das an seine Universitätszeit, dieses Mal allerdings ohne das nostalgische Glücksgefühl.
Klopfer sah ihn die ganze Zeit mit zusammengekniffenen Augen an. Myron versuchte, einen neutralen Gesichtsausdruck zu wahren, kam sich aber vor wie ein Idiot. Vor allem, weil er so offenkundig begutachtet wurde. Er versuchte, ihren Blick zu erwidern.
Klopfer grinste plötzlich breit und verschränkte die Atme. »Verstehe«, sagte sie.
»Was?«
»Ist doch sonnenklar.«
»Was ist sonnenklar?«
»Du willst dich rächen«, sagte sie.
»Wofür?«
Das Grinsen wurde etwas breiter, dann entspannte es sich. »Greg hat dir Emily weggeschnappt. Jetzt willst du dich revanchieren.«
»Er hat sie mir nicht weggeschnappt«, sagte Myron schnell. Er hörte die Befangenheit in seiner Stimme, und das gefiel ihm ganz und gar nicht. »Als Emily und Greg sich kennen gelernt haben, waren wir schon getrennt.«
»Wenn du meinst.«
»Ja, das meine ich.« Mr Schnippisch.
Sie lachte heiser und legte ihm die Hand auf den Arm. »Ganz ruhig, Myron. Ich will dich doch nur aufziehen.« Wieder sah sie ihn an. Von diesen dauernden Blickkontakten bekam Myron langsam Kopfschmerzen. Zur Abwechslung starrte er jetzt auf ihre Nase. »Also, tun wir's?«, fragte sie.
»Nein«, sagte Myron.
»Wenn du Angst vor Krankheiten hast...«
»Daran liegt es nicht. Ich bin mit jemandem zusammen.«
»Und?«
»Und darum betrüge ich sie nicht.«
»Wer hat was von Betrügen gesagt? Ich will nur Sex.«
»Und du findest nicht, dass es da eine Verbindung geben könnte?«
»Natürlich nicht«, sagte Klopfer. »Wenn wir miteinander ins Bett gehen, darf das keinen Einfluss auf deine Beziehung haben. Ich will nicht, dass du aufhörst, deine Freundin zu lieben. Ich will nicht Teil deines Lebens sein. Ich erwarte nicht einmal Intimität.«
»Oh Mann, das klingt ja echt romantisch«, sagte Myron.
»Aber darum geht's doch gerade. Es ist nicht romantisch. Es ist nur ein körperlicher Akt. Zwar einer, der sich großartig anfühlt, aber im Endeffekt bleibt es ein rein körperlicher Akt. Als würden wir uns die Hände schütteln.«
»Die Hände schütteln«, wiederholte Myron. »Du solltest Glückwunschkarten schreiben.«
»Ich sag nur, wie's ist. Altere Zivilisationen - von denen viele geistig viel fortgeschrittener waren als wir - hatten schon verstanden, dass die Fleischeslust keine Sünde ist. Sex mit Schuld zu verbinden, ist eine moderne, vollkommen absurde Macke. Das ganze Konzept, Sexualität mit Besitz zu verknüpfen, haben wir von den zugeknöpften Puritanern geerbt, denen es darum ging, ihren wichtigsten Besitz unter Kontrolle zu halten: ihre Ehefrau.«
Sie beschäftigt sich mit Geschichte, dachte Myron. Schön,
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