MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
großen Falken in seinem Kopf, der aus einer lodernden Feuerwand direkt auf ihn zuflog. Die Vision währte nur Sekunden, bis Niko ein ganz neues Leuchten zwischen den Nebelschleiern bemerkte: einen mehr als haushohen Dom aus Licht, blaugrau schimmernd und mit fließenden Konturen.
Wie magisch angezogen ging der Junge darauf zu. Er war schon auf zehn Schritte herangekommen, als eine Gestalt aus dem Nebel trat. Es war ein Mann, der von einer überirdisch strahlenden Aura umgeben schien.
Überrascht und erschrocken zugleich blieb Niko stehen und musterte ihn verwundert. Wer war das? Niko war sich sicher, ihn noch niemals gesehen zu haben - und dennoch kam er ihm merkwürdig bekannt vor.
Der Mann war groß gewachsen und von kräftiger Gestalt. Er hatte langes dunkles Haar und die ebenmäßigen Gesichtszüge mit den kräftigen Wangenknochen und dem kantigen Kinn zeugten von Entschlossenheit. Ein Umhang aus edlem Tuch, besetzt mit kostbaren Steinen und verziert mit kunstvollen Stickereien, hing von seinen breiten Schultern. Ein Wappen war vorne in Brusthöhe daraufgestickt, das einen mächtigen Falken mit einem Schwert in den Krallen zeigte. Die smaragdgrünen Augen auf Niko gerichtet, lächelte der Mann ihn freundlich an. Als er zu sprechen begann, löste sich der Nebel auf, sodass Niko nun die Steine sehen konnte, die hinter dem Fremden aus der Heide aufragten: drei mächtige Findlinge, die sich wie trutzige Wächter der Zeiten zum Himmel emporstreckten.
»Endlich hat mein Warten ein Ende, mein Junge.« Die Stimme des Mannes war warm und kräftig. »Ich wusste, dass du dem Ruf von Sinkkâlion folgen und zu mir kommen würdest, auch wenn ich viele Jahre darauf warten musste.«
Niko hatte keine Ahnung, wovon der Mann redete, und starrte ihn mit großen Augen an. »Wer wer sind Sie?«, stammelte er.
»Wer ich bin, willst du wissen?« Noch immer lächelte der Unbekannte. »Weißt du das wirklich nicht?«
Niko schüttelte den Kopf.
»Ach«, sagte der Mann und seufzte. »Es ist wohl doch schon zu lange her.« Damit trat er auf Niko zu und legte ihm die Hand auf den Kopf.
Noch im gleichen Moment pulste ein prickelnder Wärmestrom durch Nikos Körper. »Ich bin...«, hob der Mann an, als Niko vor seinem inneren Auge eine lodernde Feuerwand erblickte, die ein flammendes Tor bildete. Die lodernde Kraft zerrte an seinen Haaren, an seinen Kleidern und schließlich am ganzen Körper, als wolle sie ihn direkt in ihre feurige, alles verschlingende Mitte ziehen.
Und dann …
N iko schreckte im Bett hoch. Es dauerte einige Sekunden, bis ihm klar wurde, dass er sich in der kleinen Dachkammer im Hause seines Großvaters befand. Fröhliches Vogelgezwitscher und das entfernte Schnauben von Pferden drangen durchs offene Fenster. Die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel und der Duft von frisch gedroschenem Getreide stieg ihm in die Nase. Ein leichter Wind blähte die Gardinen und wehte das Gebimmel der fernen Kirchturmglocken heran, die gerade den Mittag einläuteten.
Niko barg seinen Kopf in den Händen, rieb sich sein Gesicht. Langsam wurden ihm all diese Träume wirklich zu viel.
Die Tür des Schranks in seinem Zimmer stand weit offen, doch seine Sachen befanden sich immer noch im Rucksack. Warum hatte er ihn nicht ausgepackt? Und warum hatte dieser wirre Traum ihn urplötzlich, wie aus dem Nichts, heimgesucht?
Da fiel Nikos Blick auf das Buch, das neben dem Bett auf dem Boden lag, und er erinnerte sich wieder, es aus dem Rucksack genommen zu haben. Offensichtlich war es ihm aus der Hand gerutscht, als er vom Schlaf übermannt worden war. Er bückte sich, um es aufzuheben. Im gleichen Moment hörte er wieder den Ruf eines Falken, so laut und deutlich, dass er aus unmittelbarer Nähe gekommen sein musste. Vom Dachboden zum Beispiel, der seiner Schlafkammer direkt gegenüberlag.
Aber das war doch nicht möglich, oder?
Falken waren stolze und wilde Tiere, die ihre Freiheit liebten und die Nähe der Menschen scheuten. Niko hatte noch niemals gehört, dass sie unter dem Dach eines bewohnten Hauses nisteten.
Er musste sich getäuscht haben. Der Vogelruf war mit Sicherheit nicht aus dem Speicher gekommen, sondern vermutlich von der großen Eiche hinter der Scheune, wo schon vor vielen Jahren ein Falkenpaar genistet hatte.
Erneut klang der Ruf des Vogels an Nikos Ohr. Eigenartigerweise war er sich diesmal ganz sicher, dass er vom Dachboden
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