MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
Während der Anführer vor Schmerz laut aufschrie und sich die Hand vor die blutüberströmte Nase hielt, gaben die beiden anderen Krieger ihren Rappen die Sporen und galoppierten auf Ayani zu.
Die aber machte blitzschnell kehrt und stürmte in den Wildfluss. Das Wasser spritzte hoch auf, während sie mit großen Sätzen dahinsprang und schließlich kopfüber in die tieferen Fluten tauchte. Flink wie ein Otter glitt sie dicht unter der Oberfläche entlang und tauchte erst kurz vor dem jenseitigen Ufer wieder auf. Dort sprang Ayani aus dem Wasser und lief um ihr Leben.
A ls Niko auf den Speicher trat, erlosch das gleißende Licht. Die zwei Fenster auf beiden Seiten des Spitzdaches waren klein und schmutzig, sodass das Sonnenlicht allergrößte Mühe hatte, sich durch die Scheiben zu kämpfen. In der fahlen staubigen Düsternis war nicht viel zu erkennen. Nikos Hand tastete nach dem Lichtschalter neben der Tür. Er wollte die nackte Glühbirne anknipsen, die vom First baumelte, hatte jedoch keinen Erfolg; sie war offensichtlich kaputt. Zum Glück gewöhnten sich Nikos Augen rasch an das dämmerige Zwielicht.
Der Boden war mit einem wilden Sammelsurium von Kisten, Truhen, Kommoden, Regalen und alten Schränken zugestellt, in denen sich Gegenstände aller Art auftürmten. Von seinem Standort aus ließ Niko den Blick in die Runde schweifen und sah Stapel von altem Geschirr und ausgemusterter Wäsche, haufenweise Bücher und Fotoalben, zwei offensichtlich defekte Radios, eine Kastenuhr, einen vorsintflutlichen Plattenspieler, jede Menge ausrangiertes Spielzeug, ein Schaukelpferd, dessen Vorderbeine entzweigebrochen waren, und allerlei anderes Gerümpel mehr. Trockenblumensträuße baumelten von einer Wäscheleine, die sich von Balken zu Balken spannte, alte Arbeitskittel hingen an Nägeln, die darin eingeschlagen waren. Altmodische Herrenhüte und -kappen lagen auf einem Brett, und altertümliche Damenhüte, einige davon fast so groß wie ein Wagenrad, schienen sich in einem türlosen Schrank verstecken zu wollen, als schämten sie sich für ihr antiquiertes Aussehen.
Die Luft unter dem Spitzdach war heiß und stickig, sodass Nikos Gesicht im Nu von einem feuchten Schweißfilm überzogen war.
Das T-Shirt klebte an seinem Oberkörper und das Atmen fiel ihm schwer. Während er noch überlegte, woher das unwirkliche Strahlen gekommen sein mochte, das er auf dem Flur wahrgenommen hatte, stieg ihm ein vertrauter Duft in die Nase: leicht bitter und dennoch verlockend. Noch im gleichen Moment bemerkte Niko ein schwaches Glimmen in der hintersten Ecke des Speichers, das nach wenigen Augenblicken wieder verlosch, um dann nach kurzer Zeit erneut aufzuscheinen.
Was war das?
Eine alte Lampe mit einem Wackelkontakt? Oder stand dort vielleicht ein ausrangiertes Blinklicht, das sein Warnsignal nutzlos in die Dunkelheit sandte?
Neugierig geworden, bahnte Niko sich einen Weg durch die ausrangierten Möbelstücke. Der Duft wurde immer stärker, je weiter er sich dem anderen Ende des Speichers näherte. Dort lehnte ein alter Schrank an der unverputzten Stirnmauer, seine Türen standen weit offen. Auf den ersten Blick konnte Niko nichts Besonderes darin entdecken. Alte Bücher, Hefte, Zeitschriften und ein ganzer Stapel von Schallplatten lagen auf dem obersten Regalbrett. Von den zahllosen Draht- und Holzbügeln, die an der Querstange hingen, baumelten Kleider, Blusen, Hemden, Hosen und andere Kleidungsstücke mehr. Erst beim zweiten Hinsehen fiel Niko auf, dass es ausschließlich Mädchen- und Frauenkleider waren - offensichtlich alles Sachen, die Rieke als Mädchen und junge Frau getragen hatte. Wahrscheinlich hatte Oma Frida - oder vielleicht auch Opa Melchior - es einfach nicht übers Herz gebracht, die alten Klamotten wegzuwerfen, und sie deshalb zusammen mit den anderen ehemaligen Besitztümern seiner Mutter auf dem Speicher verwahrt.
Nur: Woher war das Blinken gekommen? Und woher stammte der geheimnisvolle Duft?
Niko steckte seine Nase in den Schrank und schnupperte: Nein, die Duftquelle befand sich offensichtlich nicht darin. Und das geheimnisvolle Leuchten kam auch nicht von dort. Als Niko einen Schritt zurücktrat, bemerkte er endlich, was er die ganze Zeit übersehen hatte: An der rechten Außenwand des Schrankes hing ein Bügel mit einem unscheinbaren Kleidungsstück - einem einfachen Umhang aus grauem Tuch. Er besaß eine große Kapuze - und von der strahlte nun
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