MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
deinem Papa nichts Cooleres eingefallen ist, mein ich. Der ist doch Schriftsteller, oder?«
»Ach, vergiss es.« Jessie wirkte irgendwie genervt. »Und was macht deiner?«
»Keine Ahnung.« Ein Schatten huschte über Nikos Gesicht. »Ich kenne meinen Vater nicht.«
»Nä, ne?«, staunte Jessie und warf ihm einen schrägen Blick zu. »Aber das würdest du wohl gerne, was?«
»Klar«, antwortete Niko wie aus der Pistole geschossen. »Nichts lieber als das! Aber …« Plötzlich trat echte Traurigkeit in seine Augen. »Das wird wohl immer ein Wunschtraum bleiben.«
»Wer weiß?« Jessie lächelte ihn freundlich an. »Man darf die Hoffnung niemals aufgeben. Das behauptet zumindest dein Opa. Er hat mir auch erzählt, dass du reiten lernen willst. Stimmt das?«
»Moment mal!«, wehrte Niko ab. »Reiten kann ich, seit ich fünf bin. Ich brauch vielleicht nur ein bisschen... äh...« Er suchte nach den passenden Worten. »… Feintuning, würde ich sagen.«
»Feintuning? So, so!« Jessie gab sich nicht die geringste Mühe, die Ironie in ihren Worten zu verbergen. »Da bin ich aber mal gespannt.« Damit steckte sie Daumen und Zeigefinger der rechten Hand in den Mund und ließ einen schrillen Pfiff ertönen. Nur Augenblicke später trabten zwei Pferde aus dem Unterstand in der hintersten Ecke der Koppel: ein Rappe und ein Schimmel, die bereits Sattel und Halfter trugen. Als sie herangekommen waren, schnaubten sie freudig und stießen Jessie mit ihren Nüstern an.
»Ist ja gut, ihr beiden.« Das Mädchen kraulte sie zärtlich an den schlanken Hälsen. »Ich freue mich ja auch, dass es endlich losgeht.« Damit versetzte sie ihnen einen leichten Klaps. »Aber erst sagt ihr Niko ›Hallo‹!«
Sofort wendeten die Pferde sich dem Jungen zu und sahen ihn mit ihren großen dunklen Augen an - und da fielen Niko ihre Namen wieder ein: »Hallo, Max und Moritz.« Dann warf er Jessie einen bestätigenden Blick zu. »Du hast tatsächlich recht. Manche Erwachsenen sind wirklich zu dämlich, wenn’s um Namen geht!«
»Lass das bloß nicht deinen Opa hören!«, sagte Jessie augenzwinkernd. »Der alte Herr ist schwer in Ordnung und ich lasse nichts auf ihn kommen.«
»Schon gut.« Niko hob abwehrend die Hände. »Ich doch auch nicht.«
»Das wollte ich dir auch geraten haben! Und jetzt Schluss mit dem Gequatsche. Lass mal sehen, was du so draufhast.« Jessie trat neben den Rappen, um sich in den Sattel zu schwingen, als über ihnen lautstarkes Gekrächze erscholl.
Niko hob den Kopf und erblickte einen großen Vogelschwarm, der in der Ferne am Himmel kreiste. Es waren Unmengen von Raben, die wie der tiefschwarze Strudel eines Tornados umeinanderwirbelten. »Eigenartig«, sagte Niko. »Wer hat die Raben denn aufgeschreckt?«
Nach einem kurzen Blick auf die Vögel sah Jessie ihn verwundert an. »Woher willst du wissen, dass es Raben sind? Und dass jemand sie aufgeschreckt hat?«
»Woher wohl?«, fragte Niko zurück. »Weil es deutlich zu sehen ist!«
»Quatsch!« Jessies Miene verfinsterte sich. »Die Vögel sind viel zu weit entfernt, um sie zu erkennen - höchstens mit einem Fernrohr.«
»Für dich vielleicht.« Niko kniff die Augen zu engen Schlitzen. »Aber für mich sind das eindeutig Raben. Und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass sie aufgescheucht wurden. Von einem Jäger vielleicht?«
»Kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Jessie. »Dort hinten liegt nämlich das Nebelmoor. Es ist ziemlich tückisch und wird deshalb von allen gemieden - selbst von dem schrägen Vogel, der das Jagdrevier gepachtet hat. Außerdem gibt es im Nebelmoor sowieso kaum jagdbares Wild.«
In diesem Moment zuckte ein stechender Schmerz durch Nikos Kopf. Für Bruchteile von Sekunden sah er die undeutlichen Schemen zweier Männer vor seinem geistigen Auge - aber nur einen Herzschlag später war die Vision auch schon wieder vorbei. Mit einem Schlag fühlte Niko sich wieder so elend und hilflos wie oben auf dem Dachboden. Jessie hatte ja keine Ahnung!
»Was soll’s?«, beendete Jessie die Diskussion. »Ich weiß gar nicht, warum wir uns wegen ein paar dämlicher Vögel den Kopf zerbrechen.« Damit schwang sie sich auf Max, den Rappen, und deutete auf den Schimmel. »Jetzt mach endlich! Worauf wartest du denn noch?«
M aruna ließ ihren Blick über ihre kleine Herde schweifen, die lediglich aus zwei Ziegen und drei Schafen bestand. Obwohl es seit
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