MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
Gegenwart ihres Vaters und den Aufenthalt in dem alten Haus, in dem sie ihre Kindheit zugebracht hatte, mehr und mehr zu genießen. Während sie die Teller zusammenstellte und das Besteck einsammelte, blickte sie die beiden Männer an. »Ich hätte mal wieder richtig Lust, eine Runde Schwimmen zu spielen?«
»Von mir aus gerne.« Melchior griff nach seiner Pfeife und dem Tabakbeutel. »Aber erst nach den Nachrichten, wenn ich bitten darf. Die sehe ich nämlich jeden Abend. Wenn hier in Oberrödenbach schon nichts passiert, muss ich wenigstens wissen, was anderswo in der Welt los ist, nicht wahr?«
»Wenn es dich glücklich macht.« Rieke trug das schmutzige Geschirr zur Spüle und ließ Wasser in das Becken. »Und was ist mit dir, Niko?«
Schwimmen spielen? Auch das hatte Niko schon ewig nicht mehr getan. Dabei war er früher, als kleiner Junge, fast süchtig nach dem Kartenspiel gewesen und hatte es stundenlang mit der Oma und dem Opa gespielt. Also, warum nicht?, überlegte er. Eigentlich hatte er sich ja das merkwürdige Buch aus dem Antiquariat vornehmen wollen - vielleicht war die Geschichte trotz der vielen Lücken ja doch zu verstehen. Und der Titel klang ja auch recht vielversprechend: »Meine Aventurien in Mysteria«! Schließlich war »Aventurie« ein altertümlicher Ausdruck für »Abenteuer« und für Abenteuergeschichten hat Niko schon immer ein besonderes Faible gehabt. Trotzdem: Zum Lesen blieb ihm noch immer Zeit und so stimmte er dem Vorschlag der Mutter zu: »Aber nur mit Einsatz - zehn Cent für jede verlorene Runde?«
»Oha!«, sagte der Opa mit hochgezogenen Brauen. »Du scheinst ja eine Menge Taschengeld zu bekommen! Aber von mir aus - wenn du dich unbedingt in den Ruin stürzen willst.«
Auch Rieke erklärte sich einverstanden. »Aber fünf Cent reichen auch, finde ich. Und jetzt steht mir nicht länger im Weg rum und verzieht euch endlich ins Wohnzimmer. Ich komm sofort nach, wenn ich mit dem Abwasch fertig bin.«
Der Opa machte es sich in seinem uralten Fernsehsessel bequem, griff zur Fernbedienung und schaltete den mindestens genauso alten Fernseher ein. Niko hätte sich nicht im Geringsten gewundert, wenn Schwarz-Weiß-Bilder über den Monitor geflimmert wären. Aber dann lief doch ein quietschbunter Werbespot für den neuesten Blockbuster aus Hollywood. Während Melchior gemächlich seine Pfeife stopfte, suchte Niko schon mal die Spielkarten zusammen. Sie lagen noch immer am gleichen Platz wie früher: in der linken Schublade des alten Wohnzimmerschrankes. Er zählte sie kurz durch, ob sie auch vollständig waren, und griff dann zur Tageszeitung. Als er gerade die Sportseite aufschlagen wollte, sprach der Opa ihn an: »Wie lief es eigentlich mit Jessie und dir?«
»Ach …«, sagte Niko. »Ganz gut.« Eigenartigerweise stieg ihm schon wieder das Blut in die Wangen. Sie wurden erst warm und dann sogar richtig heiß. Dabei gab es überhaupt keinen Grund dafür - nicht den geringsten! »Es war … äh... ziemlich okay.« Er versuchte, cool zu bleiben. Bei dem Gedanken an die gut zwei Stunden, die er mit Jessie auf der Koppel verbracht hatte, wurden nun dummerweise auch noch seine Ohren heiß.
»Ziemlich okay?« Der Opa klang verwundert. »Findest du Jessie nicht nett?«
»Ja, doch«, antwortete Niko gedehnt. »Eigentlich schon.«
»Das meine ich aber auch!« Der Opa ritzte ein Streichholz an und hielt es an den gestopften Pfeifenkopf. »Sie ist sogar sehr nett. Manchmal ein bisschen vorlaut vielleicht, aber ansonsten ganz schwer in Ordnung.« Er zog drei-, viermal kräftig an seiner Pfeife, bis sie ordentlich dampfte, und blickte Niko dann durch die aufsteigenden Rauchschwaden an. »Habt ihr euch wieder verabredet?«
»Ja. Für morgen Vormittag, gleich nach dem Frühstück. Wir wollen einen Ausritt in die Umgebung machen.«
»Sehr gut, Niko! Es freut mich, dass ihr euch auf Anhieb so gut versteht.« Melchiors Miene zeigte, dass das nicht einfach so dahingesagt war. »Es hätte ja auch sein können, dass ihr euch überhaupt nicht leiden könnt.« Er zog die buschigen Brauen hoch, die fast noch grauer waren als die Haare auf seinem Kopf. »Wohin wollt ihr denn?«
»Zum Nebelmoor.«
»Oha!«, sagte der Opa, was Niko aufhorchen ließ.
»Wieso?«
»Weil ihr dort äußerst vorsichtig sein solltet und euch auf keinen Fall ins richtige Moorgebiet hineinwagen dürft«, mahnte Melchior mit ernster Miene. »Jessie kennt sich
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