MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
sie hinter sich das Geräusch einer sich öffnenden Tür. Überrascht drehte sie sich um und sah ihren Vater, der eben aus dem Dachboden kam. Auf seinem Kopf thronte ein großer breitkrempiger Strohhut mit einem schwarzen Band, der ihn aussehen ließ wie das ehrwürdige Oberhaupt eines Gangsterclans aus einem alten französischen Kriminalfilm.
Als Melchior seine Tochter erblickte, verzog er den Mund zu einem verlegenen Lächeln und deutete auf seine Kopfbedeckung. »Ohne Hut ist es in der Hitze draußen kaum auszuhalten. Was meinst du: Kann ich den noch tragen, auch wenn er mindestens zwanzig Jahre alt ist?«
»Ja, klar.« Riekes Mund verzog sich spöttisch. »Du weißt doch: Einen hässlichen Menschen entstellt nichts!«
Melchior grinste breit zurück. »Na danke schön! Und wer über andere spottet, fällt selbst hinein.«
»Genau.« Rieke kicherte wie ein Schulmädchen, wurde dann aber wieder ernst. »Weißt du, wo Niko ist?«
»Natürlich! Jessie und er machen einen Ausritt.« Melchior runzelte die Stirn, wodurch sich die breite Hutkrempe tiefer in sein Gesicht senkte. »Hat er dir das nicht gesagt?«
»Kein Wort.« Rieke rümpfte mürrisch die Nase, entspannte sich aber rasch wieder. »Aber was soll’s. Dann weiß ich wenigstens jetzt Bescheid und muss mir weiter keine Sorgen machen.«
»Nee, bestimmt nicht«, bekräftigte ihr Vater. »Jessie ist zwar ein kleiner Wildfang, aber für ihr Alter schon sehr vernünftig. Sie wird schon gut auf Niko aufpassen.«
Während Melchior ächzend die steile Treppe hinunterstieg - der Hexenschuss machte ihm offensichtlich weit mehr zu schaffen, als er zugeben wollte -, ging Rieke auf Nikos Bett zu und hob das Buch auf. Eher achtlos legte sie es auf den Tisch - bis ihr das Zeichen auf dem Einband ins Auge stach. Ein heißer Wärmestrom pulste durch ihren Körper. Ihre Haut begann zu kribbeln, und ihr Herz fing an, wie wild zu schlagen. Wie gebannt starrte Rieke auf das Symbol, das den Bucheinband zierte. Was war das? Und warum versetzte es sie so in Aufregung? Ganz dunkel meinte Rieke sich daran zu erinnern, dass Niko ihr dieses Zeichen schon einmal gezeigt hatte, aber sicher war sie sich nicht. Jedenfalls sah es der Gravur auf dem unscheinbaren Kupferring an ihrer rechten Hand verblüffend ähnlich. Als Rieke das Schmuckstück danebenhielt, erkannte sie, dass das M auf ihrem Ring - sie wusste natürlich längst, dass es sich um die Ehwaz-Rune handelte - nahezu identisch mit dem Zeichen auf dem Buchcover war. Der einzige Unterschied waren die beiden gleichschenkligen Dreiecke, die das oberste Drittel des unbekannten Symbols bildeten.
Hatte Niko ihr nicht erklärt, dass es sich dabei ebenfalls um eine Rune handelte?
Während Rieke noch nachdenklich auf das Zeichen starrte, war sie sich mit einem Mal ganz sicher, dass sie es doch schon mal gesehen hatte - lange bevor ihr Sohn sie darauf aufmerksam gemacht hatte! Nur einen Herzschlag später stieg eine Erkenntnis aus den Tiefen ihres Unterbewusstseins empor: Das Symbol hatte sogar eine überaus wichtige Rolle in ihrem Leben gespielt und ihr Schicksal auf entscheidende Weise beeinflusst.
Doch obwohl Rieke hin und her überlegte und sich schier das Gehirn zermarterte, wollte ihr einfach nicht einfallen, was es wirklich damit auf sich gehabt hatte.
N iko war zu keiner Bewegung fähig. Wie zur Salzsäule erstarrt, blickte er auf die armlange Schlange, die durch das hohe Gras auf ihn zuschlängelte. Die rotgelbe Flammenzeichnung auf ihrem Rücken signalisierte allerhöchste Gefahr. Ihre gespaltene Zunge zischelte tastend aus dem geöffneten, mit kleinen Zähnchen bewehrten Maul. Alles in Niko schrie nach Flucht, aber seine Beine waren wie gelähmt. Außer sich vor Entsetzen deutete er auf das Reptil und stieß hervor: »Da-da-da! Eine Schlange!«
Wie durch Watte drang ein belustigtes Kichern an seine Ohren. Als Niko sich umdrehte, bemerkte er, dass Ayani und Arawynn sich die Hände vor den Mund hielten. Offensichtlich hatten sie das gefährliche Biest noch überhaupt nicht bemerkt. »Achtung!«, schrie Niko ihnen warnend zu. »Eine Schlange!«
Zu seiner großen Überraschung jedoch brachen die beiden nun sogar in lautes Gelächter aus. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatten, sah Ayani ihn fast mitleidig an. »Aber Niko, das ist doch nur eine Stumpfzahnnatter!« Sie klang, als spräche sie mit einem kleinen Kind. »Die ist völlig harmlos und tut
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