MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
begegnet? Als ich vor diesen Schergen hier...«, sie deutete auf die getöteten Krieger, »... flüchten musste?«
»Ja, stimmt«, korrigierte Niko sich rasch. »Ich meinte, ich bin zum ersten Mal hier im Wald.«
»Tatsächlich?«, sagte Arawynn und kniff die Augen zusammen. »Woher kommst du eigentlich? Und bist du auch ein Alwe wie wir?«
»Ein … Alwe?«, wiederholte Niko, während er verzweifelt nach einer einleuchtenden Erklärung suchte. Und da stach ihm mit einem Mal die Kette am Hals des Mädchens ins Auge: Sie sah genauso aus wie seine! »Das gibt’s doch ni -«, hauchte er - und erst in diesem Moment fiel ihm auf, dass seine Kette nicht mehr um seinen Hals hing. Seine Hand fasste ins Leere, als sie danach tastete.
Noch im gleichen Augenblick wurde Niko alles mit glasklarer Deutlichkeit bewusst: Als er mit voller Wucht zu Boden gestürzt war, musste sich der Verschluss gelöst haben und die Kette von seinem Hals gerutscht sein. Deshalb also hatte sich der Anführer der Krieger noch hastig gebückt, bevor er geflohen war - weil er sich seine Kette geschnappt hatte!
Die Kette mit dem Anhänger, den Niko schon seit frühester Kindheit um seinen Hals trug und der sich bei seinem Übergang in diese geheimnisvolle Welt hinter den Nebeln urplötzlich in ein weit schwereres, goldglänzendes Metall verwandelt hatte. Am Ende vielleicht sogar … Der Gedanke ließ Nikos Atem stocken... in pures Gold?
KAPITEL 14
DIE BOTSCHAFT DER SCHLANGE
M it nachdenklicher Miene starrte Sâga auf den Boden des Silberkessels. Die Botschaft, die Odhur ihr diesmal offenbarte, war höchst diffus und gab ihr große Rätsel auf: Zunächst sah sie die Bilder eines armseligen Alwendorfes, das offensichtlich in der Nähe eines dichten Waldes lag. Gleich darauf erblickte sie die verschwommenen Konturen eines Mädchens und zweier Knaben, die vom Abbild eines Kohortenführers der marschmärkischen Truppen abgelöst wurden, der auf seinem Pferd wie von Sinnen dahinpreschte, als sei er auf der Flucht vor Dämonen. Diese Erscheinung wurde schließlich von einem Gegenstand verdrängt, den Sâga auf Anhieb erkannte. Das Phosphorgelb ihrer Iris leuchtete auf wie Feuer. »Eine Kette aus dem Alwenhort!«, hauchte sie ungläubig. »Was willst du mir damit bedeuten, oh, Odhur? Dass sie sich in dem Dorf dort befindet - oder vielleicht in diesem Wald? Haben die Alwen sie in ihren Besitz gebracht - oder am Ende sogar dieser Unhold?«
Obwohl die Schwarzmagierin den Krieger kaum länger als einen Herzschlag gesehen hatte, hatte sie ihn auf Anhieb erkannt. »Grymm, der hässliche Hauptmann«, murmelte sie nachdenklich vor sich hin. Seine Verschlagenheit und Grausamkeit waren weithin gefürchtet. Denn nur aus diesem Grunde hatte Sâga sich seiner schon häufiger bedient. Auch wenn sie sich vor seiner Hinterlist gehörig in Acht nahm, hatte Grymm sich bislang stets als willfähriger Helfer und überaus nützliches Werkzeug erwiesen. Der Hauptmann verfügte über eine nicht zu unterschätzende Macht. Ihm unterstanden nämlich Rhogarrs Truppen, die die dünn besiedelten südlichen Regionen des Nivlandes unter Kontrolle hielten. Grymm und seine Reiter durchstreiften deshalb nicht nur die Weiten der Donnersteppe, den fast undurchdringlichen Dämonenwald, das tückische Brodermoor und die Ellerheide, sondern auch den abgeschiedenen Wald, den die wenigen dort lebenden Alwen den Flüsternden Forst nannten.
»Warum sieht es aus, als wärst du auf der Flucht? Es gibt dort doch niemanden, der dir gefährlich werden könnte - außer mir natürlich!« Ohne es zu merken, verzog Sâga ihr Gesicht zu einem Lächeln. »Andererseits - wenn er tatsächlich auf den Helden aus der Legende getroffen sein sollte und der die Kette aus dem Alwenhort trägt, hat er allen Grund, sich zu fürchten. Worauf wartest du noch, oh, Odhur? Offenbare dich deiner Dienerin!«
Sâga starrte hoffnungsvoll in das magische Gefäß, doch Odhur enttäuschte sie auch dieses Mal. Die klare Flüssigkeit in seinem Kessel trübte sich wieder ein und nahm die Farbe von schwarzer Tinte an. Dabei hatte Sâga geahnt, dass es so kommen würde. Am Morgen nämlich hatte die Magierin das Buch des Schicksals aufgeschlagen, in dem sie die Gesetze, die das Geschick Mysterias bestimmten, niedergeschrieben hatte. Nur wenig später waren ihr eine weitere leere Stelle und schließlich sogar mehrere völlig blanke Seiten ins Auge gesprungen. Der Wanderer hatte also
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