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Mysterium

Mysterium

Titel: Mysterium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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wenn er um vier Uhr morgens schlaflos im Bett lag, fragte Tom sich immer noch, wie lange alles so weitergehen könne. Eine hartnäckige Stimme in seinem Innern erinnerte ihn daran, dass jeder Mensch sich im Leben Narben zuzog und dass kein Glück ungetrübt blieb. Jeder von uns kennt die schrecklichen Dinge, die den Menschen, die wir lieben, zustoßen können – Krankheit, Schmerz, früher Tod –, und doch hoffen wir wider alle Vernunft, dass wir selbst alldem entkommen.
    Aber wie können wir das? Die einzige Möglichkeit, sagte sich Tom, besteht darin, das Hier und Jetzt zu genießen, denn wirklich lebt man nur in der Gegenwart. Grüble nicht darüber nach, was hätte sein können oder was kommen könnte, sagte sich Tom. Genieße, was ist.
    Und das, was war, machte ihn zu einem glücklichen Menschen.

13
    Er wusste, wo er war, obwohl er die Augen geschlossen hatte und nicht wagte, sie zu öffnen. Solange selbst die Schatten des Kellers von Dunkelheit verschluckt wurden, musste er das Entsetzliche, das er gesehen hatte und nun zu vergessen suchte, nicht an sich heranlassen. Selbst der schrecklichste Horror, den seine Fantasie ihm vorgaukeln konnte, war kein Vergleich zu der grauenhaften Realität, die ihn mit Sicherheit überfallen würde, wenn er die Augen wieder aufschlug.
    Als Erstes musste er weg von hier. Das sollte nicht schwierig sein, selbst mit geschlossenen Augen. Er wusste sehr gut, wo er war: Er war schon früher hier gewesen, obwohl er nicht mehr sagen konnte, wann oder aus welchem Grund.
    Er machte einen Schritt, dann noch einen – und stieß gegen die raue Oberfläche einer Ziegelmauer. Er drehte sich, wobei er diesmal die Hände suchend und tastend ausstreckte. Nun bewegte er sich in die richtige Richtung, da war er sicher. Im Stillen zählte er seine Schritte. Eins, zwei, drei, vier …
    Plötzlich blieb er stehen und stöhnte dumpf vor Schmerz, als er sich beinahe den Knöchel verstauchte. Und bevor es ihm bewusst geworden war, hatte er einem Reflex nachgegeben, der stärker war als er, und die Augen geöffnet. Nun sah er den vertrauten Gang; er war genau so, wie er sich erinnerte, aus festgestampftem Boden mit darin eingebetteten Steinen, einige rund und glatt, andere mit scharfen Kanten. Gegen einen dieser Steine war er gestoßen.
    Nun aber, als er den Kopf hob, um durch das erstarrte Schattenspiel ins Halbdunkel zu spähen, sah er wieder dieses … Ding, diesen grauenhaften Körper, dessen Anwesenheit er so verzweifelt zu verdrängen versucht hatte.
    Selbst jetzt, als er sie dort liegen sah, versuchte er sich einzureden, dass sie schlief. Doch er wusste, dass es nicht so war. Er wusste, dass sie nicht schlief. Er wusste, dass sie tot war. Und er wusste, dass es keine Möglichkeit gab, davor zu flüchten oder es rückgängig zu machen. Eine Schicksalslinie, eine Grenze war überschritten worden.
    Wie war das geschehen? Vom Schock war er wie betäubt, zu verängstigt und erschreckt, um klar denken zu können.
    War er betrunken gewesen? Hatte er Drogen genommen? Falls ja, war er jetzt nüchtern – schrecklich nüchtern.
    Ihm war bewusst, dass es keine Entschuldigung war, aber er wollte unbedingt glauben, dass er nichts hatte ändern können. Wurde er verrückt? War er vorübergehend nicht bei Verstand?
    Wer war sie überhaupt? Er zwang sich, näher heranzugehen und sie anzusehen. Ihr kurzer Rock war über die Hüfte hochgeschoben. Ohne nachzudenken, ging er auf die Knie. Er wollte ihren Rock herunterziehen, ihr ein wenig Würde verleihen, aber dann hielt er inne. Welchen Sinn hatte das? Was machte das jetzt noch aus?
    Er spürte, wie Panik in ihm aufstieg, gegen die er nicht ankämpfen konnte. Er hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen, doch nach und nach verebbte die Übelkeit und ließ ihn mit einem einzigen Gedanken von schrecklicher Klarheit zurück: Dass alles, was er jemals gewesen war, was er jemals getan hatte, von diesem Augenblick an wertlos war. Diese verrückte und sinnlose Tat bestimmte nun sein Leben; sie war das Einzige, was zählte. Diese Tat würde nie aus seinen Gedanken verschwinden, ob er wachte oder schlief – falls er jemals wieder schlafen konnte.
    Er hatte nur den Wunsch, hier herauszukommen. Vielleicht, sagte er sich, konnte er dieser unerträglichen Wirklichkeit doch noch entkommen, wenn er nur schnell und weit genug lief. Aber wo konnte er sich verstecken?
    Er bemerkte ein schwaches Licht, das von irgendwo seitlich über ihm in die Dunkelheit sickerte. Immer

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