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Mysterium

Mysterium

Titel: Mysterium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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noch kniend, drehte er sich in die Richtung und stand auf. Er ließ das winzige Fenster nicht aus dem Blick, obwohl es zu weit oben und zu verschmutzt war, um hinausschauen zu können. Er ging weiter, bis er genau darunter stand, an der Stelle, die er wiedererkannte.
    Erst jetzt blickte er zu dem tiefen Schatten zurück. Er konnte nichts sehen, wusste nun aber, was dort verborgen war.
    Er rannte los, und während er über den Gang auf das Licht hinter der zerbrochenen Tür zustolperte, schrie eine Stimme in seinem Kopf: »Du träumst! Es ist nur ein Traum! Du hast einen Albtraum!«
    Aber das spielte keine Rolle. Denn diesmal lebte er darin. Diesmal gab es keinen Ausweg.

    Das verängstigte, klagende Geräusch hielt eine Weile an, ehe ihm klar wurde, dass es der Klang seiner eigenen Stimme war. Es erschien ihm wie eine Ewigkeit, bis er sich davon überzeugt hatte, dass er wach und alles nur ein Albtraum gewesen war. Er hatte niemanden umgebracht. Wie konnte er sich so etwas nur vorstellen, und sei es in seinen verrücktesten Träumen?
    Seine verrücktesten, wirrsten Träume. Dies war der schlimmste von allen gewesen. Aber nun war er wach, war zu Hause, mit Clare an seiner Seite.
    Nur dass sie nicht da war, als er sich zu ihr umdrehte …
    Natürlich, sagte er sich. Sie war aus dem Zimmer gegangen, um nach dem Baby zu sehen … das heißt, ihre Tochter war längst kein Baby mehr. Sie wurde bald neun.
    Was stimmte nicht mit ihm?
    Noch etwas fiel ihm auf, als er sich umsah. Es war nicht sein Bett. Es war nicht einmal sein Haus. Er war an einem fremden Ort, den er nicht kannte … Wieder erfasste ihn Panik, die aus dem Bauch hochstieg und ihm die Kehle zuschnürte. Er atmete tief durch und zwang sich, Ruhe zu bewahren.
    Endlich! Plötzlich fiel es ihm wieder ein. Er war in New Orleans, im Hotel Richelieu in der Chartres Street. Vor zwei Tagen war er hergekommen, um mit einigen Jazzmusikern über einen Film zu reden.
    Gott sei Dank.
    Dieser furchtbare Traum. Woher kam der nur? Aus der Hölle – oder aus ihm selbst?
    Oder aus irgendeinem finsteren Abgrund in seinem Innern?
    Er fuhr zusammen, als plötzlich das Telefon neben seinem Bett klingelte. Er griff nach dem Hörer und schaltete die Nachttischlampe ein, um auf die Uhr zu sehen. Es war gerade sechs durch.
    »Tom?« Clares Stimme. »Tut mir Leid, dass ich dich wecke. Es ist noch früh, ich weiß.«
    »Was ist, Liebling? Ist etwas nicht in Ordnung?« Er hätte sie gar nicht zu fragen brauchen: Er hörte es an der Anspannung in ihrer Stimme.
    »Es geht um Julia … aber mach dir keine Sorgen, sie ist nicht krank oder verletzt.«
    »Was ist passiert?«
    »Es ist wieder diese Sache mit ›Melanie‹. Du solltest lieber herkommen.«

14
    Es ging auf Ostern zu, als der Vater einer Freundin Julias anrief, um einen Vorschlag zu machen. Er und seine Frau wollten mit ihrer Tochter Charlotte übers lange Wochenende eine Reise nach Niagara Falls machen; ob die Freemans sich ihnen anschließen würden? Es stellte sich heraus, dass Julia den Nachbarn schon gesagt hatte, sie sei ganz versessen darauf, mitzufahren. Seltsamerweise hatte sie ihren Eltern nichts davon erzählt.
    Clare und Tom jedenfalls hielten es für eine gute Idee und waren einverstanden.
    Dann aber ergab sich ein Problem mit Toms Terminen. Er plante eine Dokumentation über Jazzpianisten, und einer der Hauptakteure, mit denen er in New Orleans sprechen musste, konnte sich nur am Osterwochenende mit ihm treffen. Er hatte ein schlechtes Gewissen, die Reise abzusagen, doch Clare ermunterte ihn sogar, nach New Orleans zu fahren. Tom wusste, dass sie und Julia in netter Gesellschaft sein würden und dass man gut auf sie aufpasste.
    Also fuhr er, begleitet von einem Tontechniker und einem Kameramann. An dem Abend, als Clare ihn anrief hatten sie bereits so ziemlich alles im Kasten, was sie brauchten. Er bekam einen Rückflug um halb zehn abends. Clare holte ihn vom Flugplatz ab. Als sie ihn zum Hotel fuhr, besprachen sie einige der Dinge, die sie am Telefon erwähnt hatte.
    »Es ist die Besessenheit, die mir solche Angst macht«, sagte Clare. »Julia rückt nicht davon ab, dass sie Melanie heißt und dass ihre ›richtige Familie‹ irgendwo hier in der Gegend wohnt.«
    »Hier in der Gegend?«
    »Das waren ihre Worte.«
    »Hat sie gesagt, wo?«
    Clare schüttelte den Kopf.
    »Hast du sie gefragt?«
    »Das wollte ich. Aber dann habe ich daran gedacht, was Brendan Hunt gesagt hat: dass wir sie in ihren Fantasien nicht

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