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Mysterium

Mysterium

Titel: Mysterium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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ist mit ihr passiert?«
    »Das weiß keiner. Sie ist vor fast zehn Jahren verschwunden. Sie hat das Haus verlassen und ist nie zurückgekehrt.«
    Das Geräusch der Schiebetür ließ alle herumfahren. Joe verschwand in der Dunkelheit des Eingangs, kam aber Sekunden später wieder heraus, wobei er sich eine Lederjacke überstreifte.
    »Ich muss zur Arbeit«, sagte er und stapfte zu einem alten Chevrolet, der unweit der Stelle parkte, an der Toms Wagen stand. »Und wenn ich zurückkomme, solltet ihr lieber verschwunden sein.«
    Niemand sagte etwas, bis Joe seinen Wagen gewendet hatte, mit kreischenden Reifen losjagte und Augenblicke später außer Sicht war.
    Erst dann bemerkten sie, dass auch Julia fort war.
    Clare und Tom erlebten einen weiteren unwirklichen Moment der Panik, wie schon im Hotel, als Julia wie durch Zauberei vor ihren Augen verschwunden war. Sie blickten sich um und riefen nach dem Mädchen.
    Dann bemerkte Jennifer eine Bewegung im Haus. »Sie ist drinnen!«
    Sie folgten Julia. Das Mädchen verschwand soeben auf der dunklen Treppe, die vom engen Flur nach oben führte. Ihre Schritte pochten auf den nackten Holzstufen. Doch als die Erwachsenen den oberen Treppenabsatz erreichten, war nichts von Julia zu sehen. Tom und Clare hatten keine Ahnung, in welche Richtung sie gehen sollten, doch Jennifer stieß nacheinander mehrere Türen auf, hinter denen sich spärlich möblierte Zimmer befanden, einige mit ungemachten Betten und eines, das als Lagerraum für alte Haushaltsgegenstände diente. Schließlich blieb Jennifer vor einer Tür stehen, als wäre sie sich mit einem Mal sicher, dass das Mädchen in dem Zimmer dahinter sein müsse. Dennoch zögerte sie, die Tür zu öffnen.
    »Julia?«, rief Tom. »Bist du da drin?«
    Keine Antwort. Tom blickte Jennifer fragend an, da er in deren Haus nicht eigenmächtig handeln wollte. Er fragte sich gespannt, was sie als Nächstes tun würde.
    »Das war das Zimmer meiner Mutter«, sagte sie. »Jetzt ist es unseres. Meines und Joes.«
    Jennifer griff nach dem Türknauf und öffnete. Die Tür quietschte, doch Julia, die auf der anderen Seite des Zimmers stand, beachtete es gar nicht. Das Zimmer war nicht groß, auch wenn es wahrscheinlich das größte Schlafzimmer im Haus war. Es gab nur ein Fenster, dessen Vorhänge nicht ganz geöffnet waren und das meiste Licht abschirmten. Auf dem Boden und über den Lehnen zweier klappriger Stühle waren verschiedene Teile von Männerkleidung verstreut. An der Wand hingen säuberlich aufgereiht einige Röcke und Kleider auf einer Stange, vor die man einen Vorhang ziehen und sie so den Blicken entziehen konnte. Das einzige bemerkenswerte Möbelstück war eine alte Frisierkommode mit Spiegel. Auf der Tischfläche standen verschiedene Schminksachen – Makeup, Hautcreme, Kleenextücher und dergleichen – und zwei, drei Fotos in altmodischen Rahmen. Eines davon hielt Julia in der Hand und betrachtete es gebannt.
    Nach einer Weile drehte sie sich um und blickte ihre Eltern an, deren Anwesenheit sie nicht zu beunruhigen schien. Vielmehr lag ein Lächeln auf ihrem Gesicht, als wäre sie froh, Clare und Tom zu sehen, und begierig, ihnen zu zeigen, was sie entdeckt hatte. Sie hielt das Foto hoch, damit alle es sehen konnten.
    »Meine Mommy«, erklärte sie triumphierend.
    Tom sah Jennifer an, die keine Einwände erhob, als er das Bild aus Julias ausgestreckter Hand nahm. Er spürte, wie Clare sich an ihn drückte, um einen besseren Blick zu haben. Das Bild war von schlechter Qualität, ein Flickenteppich aus tiefen Schatten und strahlendem Sonnenlicht. Es war vor dem Haus aufgenommen worden, in dem sie sich befanden. Tom erkannte einen Schaukelstuhl, den er auch bei ihrer Ankunft gesehen hatte: ein verrostetes altes Ding. Auf dem Foto jedoch war er mit einem gelb und weiß gestreiften Überzug und Polstern versehen. Eine noch ziemlich junge Frau saß darauf, den Arm um ein Mädchen gelegt, das ungefähr in Julias Alter war. Die Frau hatte kurzes dunkles Haar, ein angenehmes Gesicht mit freundlichem Lächeln, aber seltsam tief liegenden Augen – eine Wirkung, die durch die schlechte Qualität der Fotografie noch verstärkt wurde. Dennoch lag etwas Unruhiges und zugleich Beunruhigendes in diesen Augen, als wären sie durch Jahre voller Sorgen und Leid ausgehöhlt worden. Die Augen waren zu alt für dieses Gesicht.
    »Wer ist das?«, fragte Clare und zeigte auf das Mädchen neben der Frau. Sie wusste natürlich so gut wie Tom, wer es war, aber

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