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Mysterium

Mysterium

Titel: Mysterium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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sondern damit sie geschah – das erkannte ich jetzt. Ich wollte diesen Verrat, diese Beleidigung. Nur dann würden jene Dinge freigesetzt, die ich so lange in mir eingeschlossen hatte.
    Nun war der Geist aus der Flasche. Und ich wusste nicht, ob ich ihn jemals wieder dort hineinbekommen würde.
    Nicht weit entfernt sah ich den Schatten einer Bewegung. Es konnte nur sie sein. Ich rannte hinter ihr her. Meine Augen waren inzwischen gut an die Dunkelheit angepasst, besser als ihre, nachdem sie im Wagen gesessen hatte, das Licht des Armaturenbretts vor den Augen. Ein paar Mal bog sie falsch ab und musste auf demselben Weg zurück. Sie wusste nicht, wohin. Ich musste nichts weiter tun, als ihr zu folgen und ihr mit jedem Fehler, den sie machte, näher zu kommen. Es dauerte nicht lange, bis sie stolperte und fiel – und dann war ich bei ihr. Sie schrie, doch meine Hände schlossen sich um ihren Hals, und sie verstummte.
    Es würde die meisten Leute überraschen, wenn sie wüssten, dass ich an Gott glaube. Dass ich es nicht als selbstverständlich betrachte, dass Gott gütig ist, dürfte weniger überraschend sein. Ich glaube, dass er jenseits von Gut und Böse ist; dies sind nur Kategorien, die wir erfunden haben, um unsere Fähigkeiten für Schmerz und Lust zu erfassen, mit denen Gott uns ausgestattet hat. Der Teufel ist unsere Erfindung, nicht seine.
    Wir existieren zum Vergnügen Gottes. Er spielt mit uns.

    Als es vorbei war und ich langsam wieder klar denken konnte, erkannte ich, dass ich ein großes Risiko eingegangen war, ein fahrlässiges Risiko. Jemand konnte den Wagen gesehen, das Nummernschild notiert haben. Es gab keinen Grund, warum jemand das tun sollte, und keinen Grund, anzunehmen, dass es jemand getan hatte. Aber einfach davon ausgehen, dass es nicht passieren würde, war eine Dummheit gewesen.
    Ich blickte mich um. Es gab keinerlei Lebenszeichen. Aber ich sah am Himmel, dass es nicht mehr lange bis zur Morgendämmerung war. Ich musste die Leiche loswerden.
    Mein Blick fiel auf das alte Haus mit seinem merkwürdigen Turm und dem von Unkraut überwucherten Garten. Ich hob sie auf und lief auf eine halb verfallene Tür zu, die vermutlich in den Keller führte.
    Drinnen lud ich sie ab. Der Boden war nicht betoniert, bloß festgetretene Erde. Ich sah es, weil allmählich graues Licht durch ein kleines Fenster fiel. Deshalb bemerkte ich auch, dass ich mir die Hand verletzt hatte. Mein Blut vermischte sich mit ihrem. Und andere Dinge. Die DNA-Analyse war inzwischen ein perfektioniertes kriminaltechnisches Werkzeug geworden. Ich konnte es mir nicht leisten, dass die Leiche gefunden wurde.
    Ich ging zum Wagen zurück und war bestürzt, wie leicht er nun im Licht der Dämmerung zu sehen war. In der Ferne konnte ich immer noch das Kreischen der elektrischen Gitarren und durchdringendes Jaulen hören, doch weit und breit war niemand zu sehen. Dennoch fuhr ich meinen Wagen an eine versteckte Stelle in einer Gruppe verwilderter Bäume mit tief herabhängenden Zweigen, öffnete den Kofferraum und suchte etwas, womit ich ein Grab ausheben konnte. Ich hatte nichts anderes als eine kleine Schneeschaufel und einen Wagenheber, den ich als Hacke benutzen konnte, um die Oberfläche des Erdbodens im Keller aufzubrechen.
    Als ich zurück zum Haus eilte und dabei die Umgebung nach Bewegungen absuchte, blieb mir beinahe das Herz stehen: Ein Mann, verschmutzt und unrasiert, rannte aus der Tür, der ich mich gerade näherte und durch die ich nur wenige Augenblicke zuvor die Leiche getragen hatte. Ich war mir ziemlich sicher, dass der Bursche mich nicht bemerkt hatte, aber er bewegte sich, als hätte er etwas gesehen – etwas Schlimmes, etwas Grässliches, das ihm eine Heidenangst einjagte.
    Oder hatte er mich gesehen? Vielleicht war er da drinnen gewesen, in dem Keller, die ganze Zeit, auch wenn das nicht erklären würde, warum er erst jetzt davonlief.
    Und war er allein? Es schien so, aber ich konnte mir nicht sicher sein. Ich konnte mir über nichts sicher sein, und doch musste ich handeln. Wenn der Mann jetzt Hilfe holte, war ich geliefert. Ich musste ihn irgendwie aufhalten. Es war der Augenblick der schlimmsten Panik in meinem ganzen Leben.
    Ich beobachtete, wie er sich durch langes Gras und Unterholz und einen Hang hinauf zur Straße durchkämpfte. Ich musste ihn aufhalten, bevor er dort ankam. In schrägem Winkel sprintete ich dorthin, schaffte es aber nicht mehr rechtzeitig. Er war schon auf freiem Gelände und lief, so

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