Mysterium
bekunden.
»Ich weiß es. Du musst es erst noch rausfinden.«
»Du glaubst also immer noch, das alles hätte einen Sinn?«
»Oh, ich weiß es.«
Sie grinst mich weiter mit diesem Ausdruck an, der besagt: »Ich habe ein Geheimnis.« Es ist nicht der Hauch einer Spur von Julia in ihr. Melanie hat sie wie immer völlig übernommen.
»Du wirst sie umbringen müssen«, wiederholt sie. »Das ist kein Scherz. Ich mache keine Scherze.«
Ich sehe sie an und versuche gar nicht erst, meine Abneigung gegenüber ihrer Strategie zu verbergen. In der Vergangenheit habe ich sie glauben lassen, ich hätte Angst und sie säße am Ruder. Aber das war meine Strategie. Und jetzt war sie ausmanövriert, auch wenn sie es noch nicht wusste.
»Warum sollte ich Julia Freeman umbringen?«
»Das habe ich dir doch gesagt – weil es die einzige Möglichkeit für dich ist, mich zum Schweigen zu bringen.«
»Warum sollte ich mir die Mühe machen, dich zum Schweigen zu bringen, solange du deine verrückten Anschuldigungen nur unter uns in diesem Raum vorbringst?«
»Wie kommst du darauf?«, entgegnet sie und sieht mich mit diesem verschlagenen Blick an, der besagt: »Ich bin schlauer als du«, ein Blick, den sie wahrscheinlich vor dem Spiegel übt.
»Ich habe dir schon gesagt, was passieren wird, wenn du den Leuten erzählst, ich hätte dich vor zehn Jahren umgebracht. Die werden dich in ein Heim für schwer erziehbare Kinder stecken. Und genau das bist du – ein krankes Kind.«
Sie lacht kehlig. »Da möchtest du dir gern sicher sein, was? Ist besser, sie umzubringen, Mann. Bring die Göre um – und was dann? Es wie einen Unfall aussehen lassen?« Sie lacht wieder, und diesmal ist ihre Stimme noch rauer. »Selbstmord? Wäre ein echt guter Witz, wenn du das hinkriegst.«
Sie beobachtet mich genau, wartet gespannt auf ein nervöses Zucken, auf irgendein Anzeichen von Angst.
»Du lässt mir keine andere Wahl, oder?«, sage ich ruhig, als würde ich mein Schicksal akzeptieren und anerkennen, dass sie die Macht besitzt.
»Damit wirst du niemals durchkommen. Sie ist nicht wie ich. Sie hat ihre Leute, und die werden stinkwütend , wenn ihr was passiert. Aber du kannst mich nicht zum Schweigen bringen, ohne sie zum Schweigen zu bringen. Also gib es schon zu, Mann. Ich hab dich am Wickel. Du steckst in der Scheiße.«
»Du bist gerissen, Melanie«, sage ich. »Zu gerissen für mich.«
Sie mag Schmeicheleien. Es ist eine Schwäche, die ich ausnutze. Dennoch ist ihre Logik fehlerlos. Das weiß ich seit langem.
Ich stehe auf, gehe durchs Zimmer und ziehe eine Schublade auf. Sie folgt jedem meiner Schritte mit Blicken.
»Was ist das für ein Ding?«
Sie zeigt auf den Gegenstand, den ich gerade aus meinem Schreibtisch geholt habe. Ich bin ein wenig überrascht, dass sie nicht weiß, was es ist. Dabei dachte ich, in ihrer Welt – in der Welt, in der sie vor ihrem Tod gelebt hat – hätten ihr solche Dinge begegnen können. Aber das war offenbar nicht der Fall.
»Hast du so was noch nie gesehen?«, fragte ich beiläufig und halte ihr den Gegenstand hin, damit sie ihn genauer ansehen kann. »Das ist eine Betäubungspistole. Im Griff ist eine Batterie, die einen Elektroschock auslöst. Der Stromschlag ist stark genug, um einen ausgewachsenen Mann für mehrere Minuten außer Gefecht zu setzen. Stell dir vor, was dieses Ding dann erst mit dir anstellen wird.«
Ihre Augen leuchten auf Sie glaubt zu verstehen, was vor sich geht. Sie glaubt, dass sie gewonnen hat.
»He, Mann, du wirst es wirklich tun? Cool.«
»Ja, Melanie, ich werde es wirklich tun. Aber nicht so, wie du denkst.«
Ich gehe einen Schritt auf sie zu. Fasziniert starrt sie auf den Gegenstand in meiner Hand. Sie versucht nicht einmal, auszuweichen.
Tom sitzt vorgebeugt da, die Ellbogen auf die Knie gestützt, die Hände wie zum Gebet gefaltet. Als ich das Zimmer betrete, hebt er den Blick. Er bemerkt kaum, was ich in der Hand halte, bis ich ihn damit an der Schulter berühre. Er zuckt krampfartig zusammen, wie ein Mann, der einen epileptischen Anfall erleidet; dann sinkt er zurück, benommen und hilflos.
Er spürt nicht die Injektionsnadel, die das weiche Fleisch an seinem Hals durchstößt.
Ich schleppe ihn die Hintertreppe hinunter, die direkt zu meiner Privatgarage führt, und bugsiere ihn dann in den Kofferraum seines eigenen Wagens – nachdem ich die Handschuhe angezogen habe, die ich tragen werde, bis diese ganze Sache vorbei ist. Als Nächstes gehe ich zurück, um
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