Mystery Thriller Band 224
Als sie durch das breite Eingangsportal traten, wurden sie von Baulärm und hellem Neonlicht empfangen.
„Das gibt’s ja wohl nicht!“, stieß Jack neben ihr hervor, als er sah, woran die Männer gerade arbeiteten: Sie waren dabei, den riesigen, reichlich heruntergekommenen Kronleuchter, der das Herzstück der Eingangshalle darstellte, aus seiner Halterung zu heben. „Ich hab Johnson ausdrücklich zu verstehen gegeben, dass der Leuchter hier hängen bleiben soll!“
Beruhigend legte Daphne ihm eine Hand auf den Arm. „Schon gut, ich kümmere mich darum.“
Johnson stand am Fuße der breiten, sich nach oben hin verjüngenden Treppe und gab seinen Leuten Anweisungen. Als er Daphne bemerkte, rollte er mit den Augen. „Na, du hast sicher wieder was zu mäkeln, was Mädchen?“
Daphne grinste. Sie hatte am Telefon schon so manche Diskussion mit dem Bauleiter geführt – und für sich entschieden. Zum Einen, weil sie die besseren Argumente besaß, vor allem aber wohl, weil sie es war, die hier die Rechnungen bezahlte.
„Nein, nichts zu mäkeln – nur eine Frage“, entgegnete sie. „Hat es einen Grund, dass Ihre Männer den Kronleuchter abnehmen, obwohl wir besprochen haben, dass wir ihn behalten werden?“
Johnson nickte. „Den gibt es allerdings. Einige der elektrischen Leitungen sind defekt, und ich kann von meinem Elektriker nicht verlangen, dass er sich in schwindelerregende Höhen begibt, um den Fehler zu beseitigen.“ Er lächelte zufrieden. „Ansonsten sind wir ziemlich gut vorangekommen, finden Sie nicht? Kommen Sie, ich nehme Sie mit auf meinen Rundgang über die Baustelle.“
Zum Glück traf das Wort „Baustelle“ nicht mehr wirklich zu, denn die meisten Arbeiten waren inzwischen abgeschlossen. Erleichtert stellte Daphne fest, dass Johnson sich im Großen und Ganzen an ihre Wünsche und Vorgaben gehalten hatte. So war beispielsweise die große Treppe, die in die oberen Stockwerke führte, zwar ausgebessert worden, sodass sich niemand daran verletzen konnte, das unheimlich klingende Knarzen, wenn man eine Stufe mit seinem Gewicht belastete, war jedoch geblieben.
Die Wände in den Gästezimmern der oberen Etage waren mit wuchtigen Himmelbetten und Schränken ausgestattet. Schnitzereien (zumeist irgendwelche scheußlichen Tierfratzen, die Daphne an die Wasserspeier gotischer Kathedralen erinnerte) zierten ihr dunkles, ölig glänzendes Holz. Diese Zimmer waren für die SCs gedacht – das stand kurz für Spielercharaktere, jene Leute also, die mit eigens von ihnen erdachten fiktiven Figuren an den Conventions teilnahmen.
Für die NSCs – die Nichtspielercharaktere, die für einen Bruchteil der Gebühr eines SCs an einem Con teilnahmen, um Statistenrollen zu verkörpern und mit den SCs agierten – war ein Anbau vorgesehen, in dem es jedoch so einen Luxus wie Betten nicht geben würde: Hier mussten die Teilnehmer auf Stroh oder in Schlafsäcken übernachten.
Der Rundgang ging weiter, und Daphne stellte fest, dass die Räume im Erdgeschoss des Haupthauses nicht wirklich ihren Vorstellungen entsprachen.
„Das sind aber nicht die Tapeten, die ich ausgesucht habe“, bemerkte sie stirnrunzelnd und fuhr mit der flachen Hand über den Wandbehang.
„Stimmt“, sagte Jack und zuckte bedauernd mit den Achseln. „Die, die du eigentlich haben wolltest, waren nicht mehr lieferbar. Wir haben welche genommen, die vom Muster her ganz ähnlich waren. Das war doch okay, oder?“
Begeistert war Daphne zwar nicht, doch sie beschloss, diese Tatsache für den Augenblick lieber für sich zu behalten. Ihre Freunde hatten sich so viel Mühe gegeben, damit hier alles genau so wurde, wie Daphne es sich vorgestellt hatte. Sie sollten nicht denken, dass sie dies nicht zu schätzen wusste.
Es war schon toll, wie gut das alles geklappt hatte, ohne dass sie persönlich zugegen gewesen war. Die Entfernung und die Abwicklung der letzten Formalitäten daheim hatten es ihr unmöglich gemacht, regelmäßig hierherzukommen.
Sie gingen weiter und erreichten den ehemaligen Speiseraum des Mädcheninternats. Auch hier waren deutlich sichtbare Veränderungen passiert. Aus dem Saal mit kahlen, feuchten Wänden und dem heruntergekommenen Charme einer Krankenhauskantine war mit dunkeln Tapeten und Lampen, die auf den ersten Blick wie echte Fackeln aussahen, ein mittelalterlicher Rittersaal entstanden. In seiner Mitte würde schon bald ein fünf Meter langer Eichentisch stehen, den Daphne bei einem Tischler aus der Region
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