Mystic City Bd 1 - Das gefangene Herz
Paar, das uns anstarrt. Die Frau legt die Hand an den Mund und flüstert dem Mann etwas zu. »Ich muss mal kurz verschwinden.«
Ein Kellner zeigt mir den Weg in den hinteren Teil des Restaurants und ich beeile mich, sosehr ich kann. Schweiß rinnt mir in den Nacken, mein Puls rast. Ich kann kaum gehen. Ist das etwa Liebe?
Ich stehe am Waschbecken und spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht. Was passiert da mit mir? Die Toilettenfrau reicht mir ein weiches Handtuch und ich tupfe mir die Wangen damit ab. Ich öffne meine Handtasche. Das Medaillon starrt mir daraus entgegen. Erinnere dich. Ich hänge es um. Wie wird Thomas darauf reagieren?
Unser Gespräch erlahmt im weiteren Verlauf des Dinners. Schließlich mache ich einen Vorschlag: »Was hältst du davon, wenn wir Klartino abhängen und einen Ausflug in die Tiefe machen? Nur du und ich?«
Thomas verschluckt sich fast an einem Stück Fleisch. »Wie bitte?«
»Du hast mich schon verstanden.«
Er starrt mich an. »Bist du von allen guten Geistern verlassen? Was sollen wir denn in der Tiefe?«
Glücklich sein, so wie früher, will ich antworten. Aber sein zorniger Blick verschließt mir den Mund.
»Auch egal«, sage ich stattdessen und streiche mit dem Finger über die Kette an meinen Hals. »Du hast noch gar nichts zu meinem Medaillon gesagt.«
Thomas betrachtet das Silberherz. »Du solltest nicht solchen Ramsch tragen«, erwidert er. »Sieht aus wie das Zeug, das die Mystiker an Touristen verkaufen.« Dann widmet er seine Aufmerksamkeit wieder dem Essen.
Behutsam nehme ich das Medaillon ab. Er hat es mir also nicht geschenkt. Aber wer dann?
7
Nach dem Essen verspricht Thomas Klartino tausend Dollar, wenn er uns allein lässt, damit wir uns küssen können.
Gerade sind wir aus der Leichtbahn ausgestiegen. Die Station liegt in der Nähe meines Wohnhauses, bei der nördlichsten Brücke. Klartino nickt. »Ich warte in der Lobby«, sagt er zu mir. »Lassen Sie sich nicht zu viel Zeit.«
Thomas nimmt meine Hand und zieht mich ins Licht zum Rand der Plattform. Ich lehne mit dem Rücken an der Glaswand der Station. Dahinter geht es steil hinunter. Es ist, als schwebten wir über der Stadt. Als Thomas mich küsst, muss ich unwillkürlich an die dunkle Tiefe jenseits der Glaswand denken, an den Sturz, vor dem Hunter mich gerettet hat.
Ich möchte so gern etwas für Thomas empfinden, aber jene innere Stimme ist auf einmal verstummt. Unsere Lippen berühren sich, das ist alles. Es funkt nicht.
»Stimmt etwas nicht?«, fragt Thomas, als ich mich von ihm löse. Seine Hände an meinen Schultern fühlen sich heiß an, zu heiß. Ich schüttele sie ab. In seinen braunen Augen steht Besorgnis, sein Mund ist mit meinem Lippenstift beschmiert. Eine schokobraune Strähne fällt ihm in die Stirn.
»Nein, alles in Ordnung.« Ich wische ihm mit dem Daumen den Lippenstift ab und streiche sein Haar zurück. Die Schatten der Nacht huschen über sein Gesicht. Jetzt finde ich ihn noch attraktiver als vorher. »Es ist nur … ich sollte heimgehen. Ich bin todmüde.«
Insgeheim erwarte ich, dass Thomas mich bittet zu bleiben, weil er es keine Sekunde ohne mich aushalten könne. Und das, obwohl ich ihm dann eine Lüge unterstellen müsste.
Aber er nickt nur und berührt meine Stirn mit zwei Fingern. »Geh schlafen. Du hattest einen langen Tag.« Er dreht sich um und verschwindet in der Station.
Langsam überquere ich den Bahnsteig und betrete die Brücke, die zum Apartment meiner Familie führt. In der Ferne sehe ich eine Gestalt aus dem Eingang treten, den auch ich gestern Nacht benutzt habe. Ich erkenne die Person sofort an ihrem Mantel – Davida.
Was hat sie vor? Davida ist offensichtlich auf dem Weg nach unten. Obwohl Klartino auf mich wartet, beschließe ich, ihr zu folgen. Ich bin nur wenige Meter hinter ihr und versuche an ihr dranzubleiben. Nur wenn sie die Brücke wechselt, tritt sie aus dem Schatten der Häuser, wo ich sie nur schwer ausmachen kann. Meine Füße bringen mich um, zumal die Brücken gewölbt sind und ich deshalb immer hoch und runter muss. Diese verfluchten Absätze!
Ich lasse vier oder fünf Wohngebäude hinter mir, erreiche die 72. Straße und überquere sie an einer Kreuzung in Richtung Süden. Davida geht zügig, ich kann nur aufholen, wenn ich renne.
Gerade will ich loslaufen, als ich von einem gelbgrünen Lichtblitz und einem lauten Grollen durchgerüttelt werde. Ursache ist das Kraftwerk zu meiner Linken. Vier Männer arbeiten dort, ihre Hände
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