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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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über alle Berge sein, wenn Bobby oder ihr Vater auf die Idee kämen, nach ihr zu suchen. Sie wollte diesen Ort ablegen, so wie man Klamotten abstreifte, die man in einem Gewitterregen getragen hatte. Erst mit den Händen zerknüllen, dann wegwerfen und sich nie mehr nach ihnen umdrehen.
    Und sie erinnerte sich an etwas, an das sie seit Jahren nicht mehr gedacht hatte. Ihr fiel wieder ein, wie sie im Alter von fünf Jahren mit ihrer Mutter im Zoo gewesen war. Sie erinnerte sich ohne besonderen Grund daran, wahrscheinlich hatten die schalen Joints und der Alkohol etwas in ihrem Hirn gestreift, wo diese Erinnerung aufbewahrt wurde. Ihre Mutter hatte sie damals an die Hand genommen, als sie die Columbia Road entlang zum Zoo gegangen waren, und Katie hatte die Handknochen ihrer Mutter spüren können, das schwache Zittern unter der Haut des Handgelenks. Sie hatte aufgeschaut in das schmale Gesicht mit den tief liegenden Augen, dem kleinen, knubbeligen Kinn. Und Katie mit ihren fünf Jahren, neugierig und traurig, hatte gefragt: »Wieso bist du eigentlich immer müde?«
    Das harte, spröde Gesicht ihrer Mutter verzog sich schmerzhaft. Sie hatte sich vor Katie gehockt, ihr die Hände auf die Wangen gelegt und sie mit roten Augen angestarrt. Katie hatte gedacht, ihre Mutter wäre verrückt, aber dann hatte sie gelächelt, aber das Lächeln war sofort wieder verschwunden, ihr Kinn hatte gezuckt und sie hatte gesagt: »Oh, mein Schatz!«, und Katie an sich gedrückt. Sie hatte das Kinn in Katies Schulter vergraben, noch mal »Oh, mein Schatz!« gesagt und dann hatte Katie Tränen in ihrem Haar gefühlt.
    Sie konnte sie jetzt spüren, die weichen Tropfen der Tränen in ihrem Haar und die weichen Tropfen auf der Windschutzscheibe. Sie versuchte, sich an die Augenfarbe ihrer Mutter zu erinnern, als sie jemanden mitten auf der Straße liegen sah. Er lag wie ein Sack direkt vor ihren Rädern und Katie riss das Steuer nach rechts, fühlte, wie das linke Hinterrad über etwas fuhr, und dachte: Ach, du meine Güte, nein, lieber Gott, sag mir, dass ich nicht drübergefahren bin, bitte, lieber Gott, nein.
    Sie rammte mit dem Toyota den rechten Bürgersteig, ihr Fuß rutschte von der Kupplung, das Auto tat einen Hüpfer, der Motor stotterte und ging aus.
    Sie wurde gerufen: »Hey, alles in Ordnung?«
    Katie sah ihn auf sich zukommen und beruhigte sich, weil er vertraut und harmlos aussah, bis sie die Waffe in seiner Hand bemerkte.
    Um drei Uhr morgens schlief Brendan Harris endlich ein.
    Dabei lächelte er und Katies Gesicht schwebte über ihm. Sie sagte ihm, dass sie ihn liebe, flüsterte seinen Namen und ihr weicher Atem war wie ein Kuss auf seinem Ohr.

4 KOMM NICHT MEHR OFT VOR DIE TÜR
    In jener Nacht blieb Dave Boyle im McGills hängen, hockte mit Riesen-Stanley am Ende der Theke und sah sich ein Auswärtsspiel der Boston Red Sox an. Pedro Martinez beherrschte das Spiel, so dass die Sox den Angels so richtig den Arsch aufrissen, Pedro warf so saumäßig pfeilschnell und gerade, dass der Ball wie eine Rakete über das Heimmal zischte. Im dritten Inning machten die Schlagmänner der Angels einen reichlich schissigen Eindruck; im sechsten wirkten sie, als wollten sie einfach nur nach Hause und sich überlegen, was es zum Mittagessen geben sollte. Aber als Garret Anderson einen Single wie einen ersterbenden Seufzer flach nach rechts warf und sich damit Pedros Bitte um einen No-Hitter erübrigte, verflog jegliche Spannung, die vorher noch in dem 8:0-Spiel gesteckt hatte im Stadion und Dave stellte fest, dass er sich mehr für das Licht, die Fans und das Anaheim-Stadium interessierte als für das Spiel selber.
    Ausgiebig betrachtete er die Gesichter auf den Tribünen und die Abscheu und die Müdigkeit der Verlierer. Die Fans sahen aus, als träfe sie das verlorene Spiel härter als die Jungs unten auf dem Feld. Vielleicht stimmte das. Für manche, überlegte Dave, war dies das einzige Spiel, das sie sich in diesem Jahr live ansehen würden. Sie hatten Frau und Kinder mitgenommen, waren mit Kühlboxen für den anschließenden Autokorso und mit Karten zu fünfunddreißig Dollar aus dem Haus in den frühen kalifornischen Abend getreten, damit sie einen billigen Platz bekamen, ihren Kindern Käppis zu fünfundzwanzig Dollar auf den Kopf drücken, lausige Burger für sechs Dollar und Hotdogs für vier Dollar fünfzig essen, wässrige Pepsi und klebriges Eis kaufen konnten, das ihnen anschließend auf die behaarten Hände tropfte. Sie kamen,

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