Mystic
er.
»Und was genau bedeutet die Heiligsprechung nun für die Kirche?«, fragte Gallagher, während er, so viel er konnte, in sein Notizbuch schrieb.
»Mit der Heiligsprechung verkündet der Papst unter anderem, dass die Person im Himmel bei Jesus ist. Das bedeutet, dass man zu dem Heiligen beten und seine Reliquien verehren kann.«
»Reliquien?«, fragte Gallagher und kratzte sich an der Augenbraue. »Sie meinen Gebeine?«
»Ja, so etwas wie Gebeine«, sagte Monsignore McColl. Seine Stimme klang jetzt leicht gequält. »Die Reliquien werden in der Regel an einen besonderen Platz unter dem Altar einer Kirche gebracht, die den Namen des Heiligen trägt. Es ist mein innigster Wunsch, dass die Reliquien von Pater D’Angelo einmal in einer neuen Kirche untergebracht werden, der Kirche des heiligen D’Angelo von Lawton.«
Die Kirchenglocke läutete die halbe Stunde, und der Priester sagte brüsk: »Ich muss jetzt gehen. Ich habe heute Mittag die Messe zu lesen.«
»Kein Problem«, antwortete Gallagher. »Wo kann ich die Augenzeugen der Wunder treffen?«
Das Gesicht des Priesters verdüsterte sich. »Das geht nicht«, meinte er. »Mein Vater war der Letzte. Er starb vor zwei Jahren.«
»Aber Sie müssen doch aufgeschrieben haben, was sie sahen, und besitzen sicher Bilder von ihnen, die ich benutzen könnte.«
Monsignore McColls Gesicht verfinsterte sich noch mehr. »Ich habe wohl Aufzeichnungen gemacht, sie sind aber noch nicht als zusammenhängender Bericht verfasst. Der wird frühestens in einem Jahr vorliegen. Ich sagte Ihnen ja schon, dass die Heiligsprechung ein sehr langwieriger Vorgang ist.«
»Kann ich einen Blick auf Ihre Notizen und die Abschriften der Interviews werfen?«
»Nein!«, schnaubte der Priester. »Auf keinen Fall, nicht ohne die Zustimmung des Bischofs.«
»Ich dachte, wir hätten abgemacht, dass Sie mir so lange helfen, wie ich der Sache nütze.«
»Mir war nicht klar, was Sie sich ansehen wollten«, entgegnete der Priester eisig. »Ich sammle immer noch das Grundlagenmaterial, das nach Rom geschickt werden soll. Das, was ich habe, ist völlig ungeordnet. Wenn Sie das durchsehen würden … dann wäre das verfrüht.«
»Aber ich könnte doch den Bischof um Erlaubnis bitten.«
Monsignore McColl schien Mühe zu haben, Ruhe zu bewahren. »Das könnten Sie, aber ich werde empfehlen, dass sie Ihnen nicht gewährt wird. Meine Meinung zu diesem Thema hat viel Gewicht.«
»Ich werde trotzdem fragen und mich dann wieder bei Ihnen melden«, sagte Gallagher munter und streckte dem Priester zum Abschied die Hand entgegen. Für einen Augenblick zeigte sich unverhüllter Zorn auf dessen Gesicht. Er wandte sich wortlos um und stampfte durch den Garten davon.
12
Dienstag, 13 . Mai
Der Nachmittag und Abend nach Gallaghers seltsamem Interview mit Monsignore McColl vergingen ohne besondere Vorkommnisse. Das Büro des Bischofs hatte wissen lassen, es stelle sich hinter den Pfarrer von Lawton, was den Zugang zu den Unterlagen über Pater D’Angelo betreffe.
Frustriert ging Gallagher am Abend fischen, flussabwärts von seiner Hütte aus, denn er konnte sich nicht vorstellen, noch einmal dort in das Wasser zu waten, wo er Hank Potter an die Oberfläche gezogen hatte. Die kalte Luft, die über den Green Mountains hing, verhinderte das Schlüpfen der Insekten, und er musste sich damit begnügen, künstliche Köder anstatt Trockenfliegen zu benutzen.
Nach Einbruch der Dunkelheit fiel Gallagher ohne Abendessen ins Bett und träumte von Emily Beckworth.
Sie wurden am vierzehnten Tag ihrer gemeinsamen Reise durch den indischen Dschungel ein Liebespaar. Per Boot, Bus und Eisenbahn waren sie weit ins Landesinnere gefahren und hatten bei Dinajpur den Weg nach Norden eingeschlagen, um nach einer alten tantrischen Tempelruine zu suchen, von der Emily gehört hatte, die sie aber bei den Recherchen für ihr Buch nicht hatte finden können.
Ihr Filmteam bestand aus acht Leuten, einschließlich Gallagher und Emily. Nach sechs Tagen erfolgloser Suche waren sie nahe daran, aufzugeben und zum Ganges zurückzukehren. Jerry war schon aufgebrochen, um sich nach neuen Drehplätzen umzusehen. Der Rest der Truppe übernachtete in strohgedeckten Hütten am Rande des Urwalds. In einer der heißen, stickigen Nächte konnte Gallagher nicht schlafen und stand eine Stunde vor Tagesanbruch auf, um einen Spaziergang in Richtung Wald zu unternehmen. Ein kleiner Fluss schlängelte sich aus dem Urwald, und er setzte sich an seinem
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