Mystic
ziemlich heruntergekommener Ort, als ich hier aufwuchs. Das hat sich natürlich alles geändert, seit Bürgermeister Powell die Erneuerung der Stadt so hervorragend in die Wege geleitet hat.
Trotz dieser wirtschaftlichen Rückschläge machte Pater D’Angelo St. Edwards jedoch zu einer blühenden Pfarrgemeinde«, fuhr der Priester mit seiner dozierenden Stimme fort. »Er organisierte Wohltätigkeitsveranstaltungen für die Armen, baute 1897 die katholische Schule und 1906 dann die Kirche. Alles an und für sich bewundernswerte Anstrengungen.«
»Doch nicht unbedingt das Werk eines Heiligen.«
»Nein«, stimmte Monsignore McColl zu. Er wandte sich um und schlug den Rückweg zum Pfarrhaus ein. »Doch das änderte sich alles im Jahre 1909 . Die erhaltenen Unterlagen zeigen, dass er in einem christlichen Sinne immer charismatischer wurde. Er sprach in Zungen. Was, ehrlich gesagt, im bischöflichen Ordinariat in Burlington für einige Verwunderung sorgte. Aber er überstand zwei Untersuchungen.«
»Untersuchungen worüber?« Gallagher blieb ein paar Schritte vor dem Vogelbecken stehen und betrachtete die kleinen steinernen Pferde.
»Untersuchungen über sein Handauflegen«, antwortete der Priester. Seine Pranke schloss sich um Gallaghers Ellenbogen und führte ihn weg in Richtung Pfarrhaus. »Einige dachten, er sei verrückt geworden. Doch seit ewigen Zeiten haben die Menschen nicht verstanden, dass mystisches Erleben und Wahnsinn sehr verwandte Erfahrungen sind. Der Wahnsinnige ertrinkt in dem Wasser, in dem der Mystiker schwimmt.«
»War er also ein Gesundbeter? Ein katholischer Gesundbeter?«, fragte Gallagher.
Monsignore McColl nickte. »Es gibt Berichte, die bis 1908 zurückreichen, dass Pater D’Angelo in schweigender Anrufung Gottes über Sterbenden gebetet und sie wieder zum Leben erweckt hat. Doch erst während der Spanischen-Grippe-Epidemie in den Jahren 1917 und 1918 lassen sich auch Augenzeugen für die Wunder finden. Nach meiner Schätzung rettete er vierzehn Menschen.«
»Es gibt Augenzeugen für die Wundertaten?«, fragte Gallagher ungläubig.
»Sieben, um genau zu sein«, gab der Priester zurück. »Einer von ihnen war mein Vater. Er hat erlebt, wie seine Schwester Anna gerettet wurde.«
Sein Gesicht erhellte sich bei dieser Erinnerung. »Die Rettung meiner Tante Anna war Pater D’Angelos letzte Tat auf Erden. Er starb gleich danach in den Armen meines Vaters. Diese Geschichte weckte in mir den Wunsch, Priester zu werden wie Pater D’Angelo. In der Tat, je mehr ich über ihn in Erfahrung bringe, und das ist in den letzten Jahren eine ganze Menge gewesen, umso mehr bin ich davon überzeugt, dass Pater D’Angelo ein Vermittler von Gottes übernatürlichen Kräften war.«
»Ist der Heilige dadurch definiert, dass er übernatürliche Kräfte zeigt?«
»Wunder sind ein Beweis«, sagte Monsignore McColl. Er sah jetzt mit einem verzückten Ausdruck zu D’Angelos Grabstein zurück.
»Wie wird man denn eigentlich zum Heiligen«, fragte Gallagher. Zwar kannte er die Antwort schon aus den Informationen, die ihm Jerry gegeben hatte, doch wollte er die Erklärung des Priesters hören.
Der Priester skizzierte in groben Zügen die Schritte, die D’Angelos Fall nehmen würde. Zunächst musste Monsignore McColl die Akte zusammenstellen und das Material seinem Bischof zur Genehmigung schicken. Nach einer ersten Durchsicht im bischöflichen Ordinariat würde die Akte dann nach Rom geschickt, wo man sie im Büro des Advocatus Diaboli und der Kongregation der Heiligen einer genauen Prüfung unterzöge. Sobald Rom die Unterlagen annähme und bestätigte, würde D’Angelo für »ehrwürdig« erklärt werden.
»Auf die Ehrwürdigkeit folgt die Seligsprechung«, fuhr McColl fort. »Um unter die ›Seligen‹ aufgenommen zu werden, prüft die Kongregation das Leben der betreffenden Person, ihre Tugenden, das angeblich Heiligmäßige, die seelsorgerische Arbeit und schriftliche Äußerungen. Für die Seligsprechung ist der Beweis eines einzigen Wunders notwendig, normalerweise eine körperliche Heilung, die wissenschaftlich nicht zu erklären ist und die darauf hinweist, dass die Naturgesetze durch die Einwirkung der Person, die für die Heiligsprechung in Frage kommt, außer Kraft gesetzt wurden. Um das Verfahren von der Selig- zur Heiligsprechung zu bewegen, ist normalerweise ein zweites Wunder erforderlich, aber nicht unerlässlich.
Das gesamte Verfahren kann hundert Jahre oder länger dauern«, schloss
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