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Mythica 06 - Goettin des Sieges

Mythica 06 - Goettin des Sieges

Titel: Mythica 06 - Goettin des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast
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blickten.
    Priamos ließ sich auf einen kunstvoll geschnitzten Holzstuhl sinken, umfasste mit zitternden Händen den ihm dargebotenen Weinkelch und trank einen großen Schluck. Kat fühlte sich etwas schwindlig, trank aber ebenfalls und gab den Kelch dann der Dienerin zurück, die leise weinte. Dann hörte sie plötzlich ein Geräusch, und wieder schloss jemand sie in die Arme. Eine ältere, elegante Frau, die viel zu dünn war, und eine zierliche, wunderschöne Mittzwanzigerin drückten sie weinend an sich. Kat war so überwältigt, dass sie nur dastehen und sich wünschen konnte, alles wäre anders und sie hätte es geschafft, alles wieder in Ordnung zu bringen.
    »Es ist wahr, Hektor ist tot. Achilles hat ihn umgebracht.«
    Zusammen mit den beiden Frauen blickte Kat auf, um zu sehen, wem die Stimme gehörte, die da gesprochen hatte. In der Tür zu dem geräumigen Gemach stand ein schlanker Mann. Er war wahrscheinlich nicht viel älter als Polyxena, und auch er hatte freundliche, ausdrucksvolle Augen. Im Schatten hinter ihm stand eine blonde Frau, die weinte – was ihrer Schönheit keinerlei Abbruch tat – und den jungen Mann, der gerade gesprochen hatte, liebevoll ansah. Noch nie hatte Kat einen so schönen Menschen gesehen – diese Frau konnte Venus jederzeit das Wasser reichen. Paris und Helena – nur sie konnten das sein.
    Als alle langsam die Bedeutung der Worte begriffen, warf sich die Frau, die Priamos’ Gattin, Mutter von Hektor, Paris und Polyxena sein musste, vor die Füße des Königs, raufte sich die Haare und begann laut zu klagen. Die jüngere Frau sank ohnmächtig zu Boden.
    »Hol Astyanax. Hektors Sohn zu halten wird ihr helfen«, befahl der junge Mann und trat nun ganz ins Zimmer.
    »Ja, Herr.« Eine weinende Dienerin beeilte sich, seinen Befehl auszuführen.
    Paris stürzte zu der ohnmächtigen Frau, deren Augenlider schwach flatterten, hob sie hoch und trug sie zu einer Chaiselongue nicht weit von Priamos’ Thron. Dann umarmte er Kat, und als sie ihn an sich drückte, fühlte sie, dass er am ganzen Körper zitterte. »Du lebst … du lebst«, flüsterte er immer wieder, und sein warmer Atem mischte sich mit den Tränen, die ihre Haare benetzten.
    Kat konnte nur nicken. Ihre Gedanken waren in Aufruhr, ihr Herz fühlte sich an, als wollte es zerspringen.
    Erst als sie hinter sich ein lautes Schluchzen hörten, ließ Paris Kat wieder los und ging zu der Chaiselongue. »Andromache, ich habe nach deinem Sohn geschickt«, erklärte er der allmählich wieder zur Besinnung kommenden Frau. »Astyanax wird gleich zu dir gebracht.« Behutsam berührte er ihre Wange, dann richtete er sich langsam auf und wandte sich fast zögernd seinem Vater zu.
    Der König strich seiner Frau, die das Gesicht auf seinen Knien vergraben hatte und inzwischen nur noch leise schluchzte, tröstend über die Haare. Priamos’ Gesicht war vollkommen ausdruckslos.
    »Vater«, sagte Paris und wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht, »er ist tot, Vater.«
    Die Augen des alten Monarchen ruhten einen Moment auf seinem jüngsten Sohn, blieben aber ausdruckslos und richteten sich dann auf eine Stelle über Paris’ Schulter, als würde Priamos in die Vergangenheit schauen.
    »Du solltest deine Schwester in ihr Gemach bringen. Ich will dich nicht sehen, während ich um meinen Sohn trauere.« Priamos’ Stimme klang nicht böse, sondern war ebenso ausdruckslos wie seine Augen, was seine Worte umso schrecklicher machte.
    Paris schien in sich zusammenzufallen. »Vater, ich bin doch auch dein Sohn.«
    »Ja, das werden die Götter mich niemals vergessen lassen«, sagte Priamos. »Geh mir aus den Augen und lass dich erst wieder blicken, wenn ich dich rufe.« Er hielt inne und fügte dann hinzu: »Und nimm deine Frau mit.«
    »Komm, Schwester.« Paris streckte Kat die Hand hin, und weil sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte, ließ sie sich von ihm aus Priamos’ Thronsaal führen. Als sie an Helena vorbeikamen, schloss sie sich ihnen an. Kat sah, dass sie den Kopf gesenkt hielt, als wollte sie ihr Gesicht hinter ihren seidig glänzenden Haaren verstecken.
    Schweigend durchquerten sie einen marmorgefliesten Korridor, vorbei an mehreren schönen, luftigen Zimmern, aber es war, als würde die Verzweiflung sie begleiten. Überall im Palast waren weinende Frauen zu hören. Schließlich gelangten sie zu einer Tür mit silberner Einlegearbeit, und Paris blieb stehen.
    »Ich werde ein paar Dienerinnen zu dir schicken, damit sie sich um

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